Kategorie: Außenpolitik

DIE LINKE auf die Straße: Für Frieden in der Ukraine!

Die Anerkennung der sog. Volksrepubliken und der Einmarsch Russlands in die Ukraine stellen eine neue Eskalationsstufe im Ukraine-Konflikt dar. Die Bezeichnung des russischen Einsatzes als „Friedensmission“ ist mehr als zynisch. 

Wir kritisieren den Einmarsch Russlands als Völkerrechtsbruch und fordern den russischen Staat zum Rückzug seiner Streitkräfte und zur Rückkehr zu diplomatischen Gesprächen auf. 

Klar ist aber auch: Wer vom Einmarsch Russlands in die Ukraine redet, darf auch von der NATO-Politik nicht schweigen, die dieser Zuspitzung voranging – ein Beispiel sind die Defender-Truppenübungen in Osteuropa. Die aktuelle Situation ist auch ein Ergebnis der Eskalationspolitik zwischen Russland und den NATO-Staaten. 

Als LINKE muss für uns klar sein, dass es weder dem russischen Staat um Friedenssicherung, noch den NATO-Staaten um Menschenrechte in der Ukraine geht. Das belegen sowohl die Kriegseinsätze der NATO in Jugoslawien, Afghanistan und Libyen als auch die russischen Kriegseinsätze in Tschetschenien, Syrien und Mali. Beide Mächte konkurrieren um ihre wirtschaftlichen Interessen und Einflusssphären in der Welt. 

Als LINKE stehen wir auf der Seite der Menschen, die unter dem Krieg leiden. Das betrifft sowohl die Bevölkerung im Donbass, in Lugansk und der restlichen Ukraine als auch die Bevölkerung in Russland. Wir fordern die Bundesregierung auf, Aufnahmekapazitäten zu schaffen, um Geflüchtete aus den betroffenen Regionen großzügig und ohne bürokratische Hindernisse aufnehmen zu können, falls es zu einer Fluchtbewegung kommt. Zudem muss sich die Bundesregierung statt für Sanktionen für eine Deeskalation in der Ukraine einsetzen. Deeskalation bedeutet u.a. 

  • ein sofortiger Abzug der russischen Streitkräfte aus der Ukraine, 
  • die Schaffung einer demilitarisierten Zone zwischen Russland und Osteuropa,
  • und ein koordinierter Abbau der Rüstungsausgaben, um die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zu senken. 

Eine sichtbare und internationalistische Friedensbewegung ist nun dringender denn je. DIE LINKE als einzige Friedenspartei im Bundestag muss hierzulande die Menschen ermutigen, dass möglichst viele für Frieden in der Ukraine auf die Straße gehen. Nur mit unteilbarer Solidarität können wir den politischen Druck für eine diplomatische Lösung des Konflikts entwickeln. 

Regieren und die LINKE – wo bleibt der Internationalismus?

von Nabil Sourani

Sollte die LINKE regieren? Diese Frage ist falsch gestellt. Für die Bewegungslinke muss im Vordergrund stehen, wie das kapitalistische System abgeschafft werden kann; wie alle Bereiche des Lebens – allen voran Staat und Wirtschaft – demokratisiert und eine globale ökosozialistische Gesellschaft aufgebaut werden kann. Dafür braucht es viele Analysen und Diskussionen: Darüber, was oder wer unsere Macht ist; wie sie sich organisieren lässt; was für eine Partei das voraussetzt; wer ihre Gegner:innen sind; was der Staat ist; was mit Ökosozialismus gemeint ist. Zwar hat die Bewegungslinke einige dieser Punkte bereits andiskutiert, was allerdings völlig fehlt, ist die Einsicht, dass Anti-Kapitalismus nur international funktionieren kann.  

Historische Lehren 

Bisherige Versuche, den Kapitalismus zu überwinden, scheiterten häufig an imperialistischer Einmischung. Da wäre die Russische Revolution von 1917: Während die Rätedemokratie begann, den bürgerlichen Staat zu ersetzen, formierte sich die Konterrevolution. Sie wurde wesentlich von westlichen Mächten unterstützt. Was war der einzige Weg, damit die Revolution noch hätte gelingen können? Das Anfachen der Arbeiter:innenbewegung in den Kernstaaten, insbesondere aber in Deutschland, und der internationale Übergang in den Sozialismus. Lenin meinte noch 1917: »Und die russischen Räte […] stehen in ihren Schritten zum Sozialismus nicht allein. Wären wir allein, so würden wir diese Aufgabe nicht friedlich und bis zuletzt bewältigen, denn diese Aufgabe ist ihrem Wesen nach international.« (https://sites.google.com/site/sozialistischeklassiker2punkt0/lenin/lenin-1917/wladimir-i-lenin-die-russische-revolution-und-der-buergerkrieg)

Internationalismus wurde von den Bolschewiki als Voraussetzung gesehen, um den friedlichen und demokratischen Übergang zu gewährleisten. Die Strategie ging nicht auf. Zwar gewannen die Revolutionär:innen den Krieg, infolge der Verwerfungen und der nationalen Isolation ihrer Revolution setzte sich aber der bürokratische Apparat um Stalin durch und gab die Parole vom »Sozialismus in einem Land« raus. Das Ergebnis: Ein autoritärer Staatskapitalismus, der alles andere war als ein Weg in eine freie Gesellschaft. Revolutionär:innen auf der ganzen Welt haben später ähnliche Erfahrungen gemacht. Sichtbar wurde das insbesondere in Lateinamerika – einer Region, die von den USA noch immer als ihr »Hinterhof« betrachtet wird.

Auf Basis der historischen Erfahrungen lässt sich also feststellen: Jeder Versuch, eine postkapitalistische Gesellschaft aufzubauen, muss international gedacht sein. Mit nationaler Isolation droht nicht nur das Ende der Demokratisierung, sondern es treten auch ganz reale wirtschaftliche und geopolitische Probleme hervor. Stellen wir uns etwa einen Sozialismusversuch allein in der Bundesrepublik vor: »Wie könnte ein isoliertes Deutschland Nahrungsmittel aus kapitalistischen Ländern importieren? Woher kommen Rohmaterialien für die industrielle Produktion? Und: wie würde sich Deutschland in einem Staatensystem gegen imperialistische Mächte durchsetzen können?« (https://rossana-online.de/2021/05/die-linke-und-das-regieren-es-ist-eine-falle/).

Wir sind nicht nur bei einem Sozialismusversuch in Deutschland und Europa auf internationale Unterstützung angewiesen, sondern antikapitalistische Bewegungen in anderen Weltregionen, insbesondere im globalen Süden, müssen sich ebenfalls auf uns verlassen können.

Mit Unterstützung ist nicht der Schulterschluss mit Diktatoren à la Pol Pot, Hồ Chí Minh oder Stalin wie in den 60ern und 70er-Jahren gemeint. Keine imperialistische Macht darf sich woanders einmischen können: Egal ob die USA, Deutschland, Russland oder China. Nur so sind Menschen imstande, sich gegen Diktaturen und Kapitalismus erfolgreich wehren zu können. Einmischung von außen spielt den Herrschenden in die Hände; zum Beispiel indem sie große Teile der Bevölkerung hinter dem Diktator gegen das Ausland zusammenschweißt oder weil – viel schlichter – die Diktatoren unmittelbar finanziell und militärisch unterstützt werden. Ohne Putins Russland wäre Bashar al-Assad längst Geschichte. Ebenso wäre Saddam Hussein im Irak ohne Bush Senior lange vor dem Einmarsch der US-Truppen gestürzt worden.

Internationalismus ist also nicht nur eine moralische Frage: Internationalismus muss Grundbaustein jeder antikapitalistischen Strategie sein. Internationalismus ist Bedingung linker Macht. Dementsprechend muss auch jetziges Handeln darauf ausgerichtet sein.

Sind die Parteien bereit, internationalistisch zu regieren?  

In der bisherigen Diskussion in der Bewegungslinken findet Internationalismus kaum Platz. Zwar gab es Veranstaltungen zu antimuslimischem Rassismus und unorganisierten Austausch zur Palästinafrage, aber keine Antworten darauf, was sie für die Strategie zur Überwindung des Kapitalismus implizieren. So wird auch die Regierungsfrage ausschließlich national gedacht – doch selbst wenn dies anders wäre, würde die praktische Umsetzung von Internationalismus durch den Druck des Systems und der Regierungskoalition versperrt werden. 

Die im Bundestag vertretenen Parteien fordern geschlossen ein Ja zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Die LINKE würde auf massive Gegenwehr stoßen und nichts deutet darauf hin, dass die SPD oder die Grünen ihre jetzigen außenpolitischen Strategien überdenken; geschweige denn mit dem deutschen Imperialismus brechen. Die Integration der beiden Parteien in den Staat ist eine Geschichte der Distanzierung von linken Positionen – und einige der Leute, die für die Kriege in Jugoslawien und Afghanistan verantwortlich sind, sind noch immer einflussreich. Sie setzen sich nicht einfach durch weniger linke Strategien von der LINKEN ab, sondern durch grundsätzlich andere Einschätzungen von Kapitalismus und Imperialismus.

Und: Nicht einmal die LINKE ist durchweg antimilitaristisch eingestellt. Dietmar Bartsch zieht Ausnahmen für Waffenexporte in Erwägung und Gregor Gysi möchte endlich das »Ja« zur NATO. Der Druck Richtung stabile Mehrheiten »links der Mitte« ist enorm. Er zwingt die LINKE zu Anpassungen. Wie wäre dann Internationalismus zu garantieren? Durch Beschlüsse und Haltelinien? In den Bundesländern, in denen die LINKE regiert, werden bereits Erfahrungen damit gemacht, was diese im Ernstfall bedeuten. Die Partei möchte: »Abschiebungen stoppen und Bleiberecht ausbauen, Seenotrettung sicherstellen«. In Berlin, Bremen oder Thüringen werden aber keine Abschiebungen gestoppt. Rote Haltelinien werden einfach überschritten. Wo ist der breite Aufschrei aus der LINKEN oder auch nur aus der Bewegungslinken? Das Fehlen lässt befürchten, dass es ihn genauso wenig geben wird, wenn eine Linksregierung auf Bundesebene den Bundeswehreinsatz in Mali weiterführt.

…und wo stehen die deutschen Staatsapparate?

Um herauszufinden, auf wessen Seite der Staat steht, braucht es nur einen Blick in den Nahen Osten und Nordafrika. 

Die Revolutionen von 2011, die Diktaturen hinwegfegten, verschlief die LINKE. Wird das Thema im Parteiumfeld angesprochen, werden die Umbrüche oft als erfolglos abgespeist – »Arabischer Winter« halt. Sicher, in einigen Staaten konnten sich Diktatoren vorerst behaupten. Doch dies gelang nur durch aktive Deckung imperialistischer Mächte, darunter Deutschland. Mit Material, Waffen und Ausbildung »Made in Germany« werden in Ägypten, Bahrain, Marokko, Tunesien oder Jemen revolutionäre Bestrebungen zerstört und »Ordnung« stabilisiert. Die Sicherheitssektoren der gesamten Region werden militärisch und polizeilich ausgebaut. Künftige Aufstände sollen zerschlagen werden und neu geschaffene Grenzregime – die, wie bereits geschrieben, die Regierungslinke in Deutschland nicht abbaut – lassen die Bevölkerung im Elend zurück. Gerahmt als »Sicherheitssektorreform« durch »Hilfe zur Selbsthilfe« können sich die Regime mit (neuer) Härte gegen die Menschen stellen. Im selben Atemzug sahnt das deutsche Kapital ab – und Siemens feiert in Ägypten den größten Auftrag seiner Geschichte. Statt auf Revolution stehen die Zeichen auf Konterrevolution. 

Um auf den Widerstand gegen ein internationalistisches Regierungsprogramm zurückzukommen: Wie bereits geschrieben, würde er aus der SPD und von den Grünen kommen; selbst aus Teilen der LINKEN – Menschen, die unter Abdelfattah el-Sisis Diktatur in Ägypten oder unter israelischer Besatzung leben, sind eben nicht wahlentscheidend. Dazu käme aber nahezu der gesamte deutsche Sicherheitsapparat, der sich aktiv gegen die Linksregierung stellen würde: Oder würden Geheimdienste und Polizei auf einmal zustimmen, wenn die Grenzen wirklich geöffnet werden? Wenn die deutsche Linksregierung plötzlich Gruppen unterstützt, die die weltweiten Stabilitätsanker – Diktaturen – stürzen wollen; wenn die thawra oder die revolución neu entfacht würde? Würde es die Waffenindustrie akzeptieren, Pleite zu gehen, weil sie keine Waffen mehr exportieren kann? Und fände es das Entwicklungsministerium einfach in Ordnung, keine freien Märkte mehr zu fördern?

Für eine Strategie von unten 

Die Regierungsstrategie geht davon aus, dass die genannten Staatsapparate einfach von innen heraus gesprengt werden können und der Widerstand dadurch gebrochen wird. Historisch gibt es aber keine Belege dafür, dass eine solche Strategie funktionieren kann – und theoretisch ist dies ebenso fraglich. (https://rossana-online.de/2021/05/die-linke-und-das-regieren-es-ist-eine-falle/) Erforderlich wäre stattdessen der Bruch mit dem Staat und die demokratische Selbstorganisation von unten. Antonio Gramsci schrieb: »[N]ach den revolutionären Erfahrungen Rußlands, Ungarns und Deutschlands der sozialistische Staat sich nicht in den Institutionen des kapitalistischen Staates verkörpern kann, sondern – verglichen mit ihnen, sogar verglichen mit der Geschichte des Proletariats – in einer grundlegend neuen Schöpfung.« (https://www.marxists.org/deutsch/archiv/gramsci/1919/07/staat.html). 

Regieren im Kapitalismus ist dagegen der Versuch, eine Abkürzung in den Ökosozialismus zu finden – diese gibt es aber nicht. Solange wir an dem Versuch festhalten, kann linken Bewegungen weltweit nicht der Rücken gestärkt werden und wir verlieren die Voraussetzungen für einen demokratischen Übergang. Die kommenden 10-15 Jahre werden nichts daran ändern, falls die LINKE weiterhin aufs Regieren schielt.

Dagegen mag eine revolutionäre, anti-staatliche Strategie von unten, wie sie von Gramsci befürwortet wird, mühsam und langsam erscheinen. Allerdings kann sich die Situation, in der wir uns befinden, schnell ändern, was unter anderem die Revolutionen in Tunesien und Ägypten bewiesen haben. Kaum jemand hätte sie Mitte der 2000er für möglich gehalten. Dies soll nicht heißen, dass wir einfach eine solche revolutionäre Situation abwarten können: Im Gegenteil, Bewegung und Partei müssen jetzt aufgebaut werden und internationale Solidarität muss jetzt mitgedacht werden – sonst wird es keinen demokratischen Wandel hin zu einer ökosozialistischen Gesellschaft geben.