Kategorie: Partei und Bewegungslinke

Von der KPÖ lernen? 

Erst einmal: Herzlichen Glückwunsch nach Salzburg! Nach den Mut machenden Ergebnissen der KPÖ-Genoss:innen bei den Salzburger Gemeindewahlen beginnt zurecht auch hier die Debatte darüber, was man aus ihrem Erfolg nun für Schlüsse ziehen kann. Sicher ist, dass Salzburg nicht als 1 zu 1 Blaupause für unsere Partei dienen kann, allein schon deswegen nicht, weil wir hier um die Ausrichtung einer Bundespartei ringen. Und doch lässt sich vieles lernen. Nicht zuletzt, dass wir nur eine Chance bekommen werden, wenn wir als Linke nach außen weitgehend einheitlich kommunizieren und aufhören, unsere Positionen in der Öffentlichkeit streitend auszuhandeln versuchen. Nach innen muss hingegen um die Ausrichtung der Partei gerungen werden. Hier unsere Vorschläge:

  1. Diäten für die Mandatsträger:innen stärker begrenzen

Bei der KPÖ geben die Mandatsträger:innen alles oberhalb von einem sogenannten Facharbeiter-Durchschnittsgehalt in einen Sozialfonds. Ihnen bleiben dann 2300 Euro netto im Monat übrig. Das hat gleich zwei Effekte: Nach Innen etablieren sie eine Parteikultur, in der es um die Sache und nicht um Posten geht. Nach außen zeigen sie deutlich, dass ihre Politik nicht die Politik des Establishments ist. Sondern wortwörtlich im Dienste der Gesellschaft steht. Welche Höhe wir in unserer Partei auch immer festlegen mögen: Statt der vielen unterschiedlichen Regelungen in Bund und Ländern bzw. auf EP-Ebene wollen auch wir eine einheitliche Lösung für alle (außer kommunale Mandatsträger:innen) und deutlich höhere Abgaben als bei einem Großteil der Mandatsträger:innen aktuell anfallen. Wir wissen, dass viele auch über die geregelten Abgaben hinaus spenden. Das wird auch immer so bleiben. Bei einem Großteil der Diäten sollte es aber nicht die individuelle Entscheidung der Abgeordneten sein, ob und wohin gespendet wird, sondern eine kollektive Entscheidung der Partei und im Idealfall unterstützt es Menschen in finanziellen Notlagen und/oder beim Aufbau von Gegenwehr.

  1. Sozialfonds auflegen

Durch die Begrenzung der Diäten kann ein Sozialfonds aufgelegt werden, aus dem Menschen in finanzieller Not unbürokratisch Hilfe bekommen können. Ein solcher Sozialfonds kann ein quantitativer und qualitativer Riesenschritt nach vorn sein gegenüber den vielen kleinen Fraktionsvereinen bei uns. Für die KPÖ ist er identitätsstiftend – zentraler Bestandteil ihrer Öffentlichkeitsarbeit. So könnte es bei uns dann klingen: Die Linke, das ist die Partei, deren Leute es als Privileg empfinden, hauptamtlich Politik zu machen und Menschen helfen zu können, die dabei einen Großteil der Diäten konkret umverteilen an Menschen, die Unterstützung brauchen. Das müssen die Wähler:innen spätestens im Sommer 2025 verstanden haben. Vor Ort bietet der Sozialfonds die Chance, Menschen, die uns in den Linke-hilft-Strukturen begegnen, zu unterstützen.

  1. Nebeneinkünfte abgeben

Die Linke ist die einzige Partei, die keine Spenden von Unternehmen annimmt. Viel zu wenige wissen das. Wir sollten das bekannter machen und noch einen Schritt weiter gehen: (Vollzeit-)Abgeordnete, die neben ihrem Einsatz als gewählte Vertreter:innen noch anderen Aufgaben nachgehen und dabei Nebeneinkünfte haben, sollten diese in den Sozialfonds geben. (Begründete Ausnahmen bestätigen die Regel. „Ich muss mein Haus abzahlen“ gehört aber nicht dazu.)

  1. Sozialberatungen anbieten

In einigen Linke-Büros werden seit Jahren (in vielen Fällen muss es leider heißen: wurden vor Jahren) Sozialberatungen angeboten. Etwa zu Mietrecht, Asylrecht oder eben auch zu Bürgergeld. Viele trauen sich diese Beratungen nicht zu, weil sie rechtlich nicht fit genug sind. Jedoch gibt es im Umfeld die Möglichkeit zu Schulungen und oft ist den Menschen schon geholfen, wenn ihnen jemand hilft, Formulare zu verstehen oder weiß, wo noch bessere Hilfe vermittelt werden kann. Ziel muss sein, diese Angebote flächendeckend auszubauen. Die Gründung der BAG Linke hilft ist dabei hoffentlich ein guter Zwischenschritt. Im Parteivorstand haben wir zudem beantragt, für die Unterstützung von Linke-hilft-Strukturen Stellenanteile zu schaffen. Was die KPÖ uns hier noch lehrt: Auch die Mandatsträger:innen persönlich bieten Sozialberatungen an. Dadurch wächst ihre Authentizität enorm. Politiker:innen sitzen nicht nur in Parlamenten oder schwingen Reden auf Demos, sie packen konkret mit an, sind interessiert an jedem einzelnen Schicksal. Und die, die Beratung suchen, fühlen sich doppelt gewertschätzt.

  1. In die Viertel, zu den Menschen hin!

Das alles wird nur helfen, wenn Die Linke nicht nur in wenigen Leuchtturm-Kreisverbänden, sondern in einer Größenordnung eine Praxis umsetzt, bei der unsere Genoss:innen in die Stadtteile gehen, wo Menschen wohnen, die im Durchschnitt stärker von Armut und schlechten Lebensbedingungen betroffen sind. Dort müssen wir unsere Büros ansiedeln, Infostände machen, Sozialberatungen bekannt machen und durchführen, im besten Fall an die Haustüren gehen. „Mit dem Gesicht zu den Menschen“ darf nicht mit großen Social-Media-Reichweiten verwechselt werden (auch wenn dagegen ebenfalls nichts einzuwenden ist).  

  1. Parteistrukturen schaffen, die für Arbeiter:innen attraktiv sind 

Wir haben tausende Neumitglieder in den letzten Monaten begrüßen dürfen. Das ist toll und eine Herausforderung, weil viel zu viele noch nicht den Andockpunkt gefunden haben. Und nach wie vor rekrutieren wir häufig unseresgleichen, junge Leute gewinnen junge Leute. Wir werden als Partei nur stärker, wenn wir Menschen aller Altersklassen und insbesondere auch lohnabhängig Beschäftigte besser einbinden können. Menschen, die viel arbeiten und dann womöglich auch noch eine Familie mit Kindern oder pflegebedürftigen Eltern haben, können sich nur sehr begrenzt einbringen. Unsere Parteistrukturen sind selten darauf ausgelegt. Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein dafür und zeitlich überschaubare Treffen bzw. niedrigschwellige Angebote für alle, die ihren Beitrag zum Aufbau einer stärkeren Linken leisten wollen.

  1. Keine politischen Blumensträuße, aber auch keine falsche Verkürzung

Lernen bedeutet auch zu differenzieren. Denn während es den Salzburger Genoss:innen möglich war, sich politisch zentral auf die Mietenproblematik zu konzentrieren, werden wir das als Bundespartei jenseits gut entwickelter Kampagnen nicht machen können. Um auf bundespolitischer Ebene ein Akteur sein zu können, müssen wir uns auch zu anderen aktuell verhandelten Fragen verhalten. Natürlich ist es richtig, an unserem Markenkern festzuhalten: d.h. die soziale Ungleichheit – oder einfacher gesagt – Klassenpolitik – ins Zentrum zu stellen. Die Triggerpunkte-Studie hat aber erst wieder gezeigt: Die Mehrheit der Menschen aller Einkommensgruppen macht sich Sorgen um den Planeten, manche von ihnen entwickeln sogar Klimaangst. Wer glaubt, die Linke können in diesen Fragen schweigen, übersieht die Sorgen und Ängste der Klasse. Was wir schaffen müssen ist, unsere Klimapolitik anders zu kommunizieren, nämlich als Ausdruck einen Ungleichheitskonflikt. Denn gestritten wird nicht darüber, ob der Klimawandel eine Bedrohung darstellt, sondern darum, wie und bei wem die Transformation ansetzen sollte und vor allem in welcher Geschwindigkeit. 

Abschließend: Wenn wir so stark und dominant in der Partei wären, wie manche gerne behaupten, würden wir das alles längst so machen. Spoiler: Sind wir aber gar nicht. Wer das ändern möchte, kann gerne bei uns mitmachen: www.bewegungslinke.org/mitmachen

Bericht der Mitgliederversammlung

Am 16. Dezember 2023 haben wir mit vielen Genoss:innen und einigen Gästen der Bewegungslinken in Hannover diskutiert, Pläne geschmiedet und auch ein bisschen gefeiert! Danke an alle die da waren und zu dieser schönen Mitgliederversammlung beigetragen haben. Nach Jahren der Auseinandersetzungen und der zuletzt erfolgten Abspaltung, ging es auch darum, Bilanz zu ziehen: Was haben wir erreicht? Was haben wir noch vor? – und vor allem: Welche Aufgaben sehen wir für uns in der neuen Anordnung in der Partei, unter veränderten Kräfteverhältnissen und angesichts Tausender neuer Mitglieder, die bereits gekommen sind und hoffentlich noch weiter zu uns stoßen werden?

Wir haben die politischen Schwerpunkte für das Jahr 2024 beschlossen, einen Antrag zur Profilschärfung der Bewegungslinken solidarisch diskutiert und abgestimmt, sowie uns einen Plan zur Stärkung von „Die Linke hilft“ gemacht.

In den neuen Ko-Kreis wurden Katharina Dahme (Niedersachsen), Kathi Gebel (Saarland), Katharina Grudin (NRW), Jary Koch (Berlin), Rhonda Koch (Berlin), Raik Ohlmeyer (Sachsen-Anhalt), Elisa Otzelberger (Niedersachsen), Felix Pithan (Bremen), Ben Stotz (Berlin) und Daniel Weidmann (Berlin) gewählt. Bundesparteitagsdelegierte sind Katharina Dahme und Rhonda Koch (Ersatz: Kathrin Gebel, Elisa Otzelberger und Christina Zacharias ) und Christian Arnd (Ersatz: Daniel Weidmann, Karl-Heinz Paskuda, Darius Mikutat, Raul Zelik und Tobias Umbreit).

Völlig klar: Es bleiben harte Bretter zu bohren für uns als Linke, auch im Jahr 2024. Dafür gilt es, in den kommenden Wochen ein bisschen die Batterien aufzuladen, um gestärkt im neuen Jahr an der Erneuerung und im Aufbau der Partei weiterhin unseren Beitrag zu leisten.

Beschlüsse:

Unsere Zukunft beginnt jetzt

Die Katze ist aus dem Sack. Nach Monaten von Andeutungen ist nun klar, dass sich mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht eine konkurrierende Partei bildet. Damit gehen Jahre der Demontage von innerhalb der Partei zu Ende. Hinterlassen wird ein großer Schaden, doch diese Trennung bedeutet auch eine Befreiung aus der Blockade. Wir haben nun die Chance, DIE LINKE besser zu machen als sie seit ihrer Gründung 2007 jemals war. Wir wollen aus Fehlern lernen, einiges anders machen und Gutes bewahren.

Über 50.000 Mitglieder glauben an diese Partei und haben Erwartungen an sie. Nach innen, das heißt in der Partei, gilt es ins Gespräch zu kommen und Verständigung zwischen verschiedenen Spektren zu organisieren. Wie soll DIE LINKE der Zukunft aussehen? Welche sind unsere programmatischen und strategischen Gemeinsamkeiten, die unser Parteiprojekt tragen und von uns nach vorn gestellt werden? Zu welchen Fragen müssen wir Entscheidungen treffen, an welchen Stellen halten wir Differenzen aus?

Diese „Selbstbeschäftigung“ ist notwendig, wenn wir uns als Partei weiterentwickeln wollen. Dabei darf es aber nicht bleiben. Wir müssen zugleich rausgehen und ins politisch-alltägliche Handgemenge eingreifen. Eine gute Gelegenheit bietet die Kampagne #wirfahrenzusammen von der Gewerkschaft ver.di und der Klimagerechtigkeitsbewegung, bei der vorbereitend für die zu Beginn 2024 anstehende Tarifrunde Nahverkehr Unterschriften für eine echte Verkehrswende und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten gesammelt werden.

Darüber hinaus wollen wir drei ganz konkrete Vorschläge für die Arbeit vor Ort machen, sofern ihr das nicht ohnehin schon tut – und bieten auch an, euch als Bewegungslinke dabei zu unterstützen, wenn ihr Support braucht:

  1. Ladet noch in diesem Jahr zu Kennenlerntreffen im Kreisverband ein: Für neue Mitglieder und alle, die darüber nachdenken, bei uns einzutreten.
  2. Führt Gespräche mit Sympathisant:innen und Multiplikator:innen, ob sie sich angesichts der politischen Großwetterlage vorstellen können, sich zur LINKEN zu bekennen und mitzumachen.
  3. Überlegt, welche Initiativen, Vereine, politische Gruppen es bei euch gibt, mit denen ihr euch im ersten Halbjahr 2024 treffen und sie fragen könnt, was sie sich eigentlich von der LINKEN nach Überwindung des Streits wünschen und wobei wir sie unterstützen können und unter welchen Voraussetzungen auch sie sich vorstellen können, mit uns gemeinsam aktiv zu werden. Im besten Fall entstehen darüber auch neue Kontakte zu künftigen Kandidat:innen auf unseren Kommunalwahllisten – ob mit oder ohne Parteibuch.

Ab sofort heißt es, nach vorne schauen. Wir müssen wieder mehr werden, um der LINKEN eine hörbare Stimmen zu geben und laden alle ein, die neugierig sind oder noch schwanken, oder mal enttäuscht wurden und der LINKEN eine neue Chance geben wollen. Also sprich mit deinen Freund:innen, Nachbarn, Eltern: Heute ist ein guter Tag, in DIE LINKE einzutreten:

www.die-linke.de/mitmachen

Zukunftskonferenz für DIE LINKE // Danke an alle, die dabei waren!

Am Sonntag, den 3. September 2023 ging die erste Zukunftskonferenz für DIE LINKE zu Ende. Das Programm war voll: Bestandsanalyse und Debatte über gesellschaftliche Kräfteverhältnisse und den Zustand der Partei, Austausch über programmatische und strategische Kontroversen und konkrete gemeinsame Planungen für die Zukunft. 360 Teilnehmer:innen waren über das Wochenende verstreut dabei und haben sich an den Diskussionen beteiligt.

Die begonnenen Diskussionen werden wir fortsetzen und dabei weiter wie bisher nicht nur als Bewegungslinke mit Gleichgesinnten sprechen, sondern die Gemeinsamkeiten mit Vertreter:innen aus anderen Spektren und aus dem Umfeld der Partei suchen. 

Mit „Freund:innen des Hauses“ aus sozialen Bewegungen und Gewerkschaften: Dank an unsere Gäste von IG Metall, verdi und DGB, von Fridays for Future, Pro Asyl, von Antira-Beratungsstellen und Forschungseinrichtungen.

Dank auch an Satiriker Jean-Philippe Kindler und Philosoph Guillaume Paoli für ihren Besuch sowie an Alice Bernard von unserer Partnerpartei PTB, die extra aus Belgien angereist war.

Hier eine Übersicht einiger Beiträge auf der Zukunftskonferenz:

Begrüßung und Eröffnungsrede von Katharina Dahme (Ko-Kreis der Bewegungslinke)
Input „Krisen des Kapitalismus und Chancen der Linken“ von Rhonda Koch (Ko-Kreis der Bewegungslinke)
Einige „Thesen zum Zustand der Linken“ von Mario Candeias (Direktor des Instituts für Gesellschaftsanalyse der RLS)
Input „Plan to win – Für eine starke LINKE 2025“ von Inva Halili (Ko-Kreis der Bewegungslinke)
Rallye-Beitrag „DIE LINKE und die Klimagerechtigkeitsbewegung“ von Felicitas Heinisch (Fridays for Future)
Rallye-Beitrag „Wie DIE LINKE Motor anstehender Klassenkämpfe wird“ von Bernd Riexinger
Rallye-Beitrag „Über die Kooperation von Partei und Bewegungen“ von Kalle Kunkel (Gewerkschafter und Mietenaktivist)
Rallye-Beitrag „DIE LINKE und die Krankenhausbewegung“ von Silvia Habekost (Krankenpflegerin und bei ver.di aktiv)
Rallye-Beitrag „Für eine feministische LINKE“ von Margarita Tsomou (Missy Magazin)
Rallye-Beitrag „Über die erneuerte LINKE im Jahr 2025“ von Jary Koch (DIE LINKE.SDS)

Dieses Land hat eine starke LINKE verdient, die nicht um sich selbst kreist, sondern in gesellschaftliche Auseinandersetzungen mutig eingreift und denen Kraft und Stimme gibt, die politisch verlassen und enttäuscht wurden, die diskriminiert und ausgebeutet werden. Die sich mit all jenen zusammen einsetzt, die eine soziale und ökologisch nachhaltige Gesellschaft wollen, mit den gleichen Rechten für alle Menschen, frei von Rassismus und Sexismus. 

Deswegen: Tretet ein und macht mit – und DIE LINKE zu einer besseren, stärkeren Partei!

Wir werben für ein Nein beim Mitgliederentscheid zum BGE

Ab 17. September wird in der LINKEN über das Bedingungslose Grundeinkommen abgestimmt. Der Ko-Kreis der Bewegungslinken wirbt bei seinen Mitgliedern und Sympathisant:innen für ein Nein. Wir wollen im Folgenden unsere Gründe erläutern.

Für die Offenhaltung der Position zum BGE

Das Entscheidende zu Beginn: Es wird nicht darüber abgestimmt, ob wir als LINKE für oder gegen das BGE sind, sondern ob die Position im Programm der Partei geändert und die Partei auf eine Zustimmung zum BGE festgelegt werden soll. Bislang wird im Programm gewürdigt, dass es Befürworter:innen und Kritiker:innen des BGE in der LINKEN gibt und wir daher verschiedene Ansätze diskutieren. Befürworter:innen sagen mitunter recht offen, dass sie mit dem Entscheid erzwingen wollten, dass breiter in den Gliederungen über das BGE diskutiert wird. So weit, so gut – nur entscheiden müssen wir uns nun als Partei trotzdem. Ein Nein beim Entscheid bedeutet eine Offenhaltung der Position zum BGE. Wir finden das richtig. Wir teilen die Unzufriedenheit mit der Vielstimmigkeit der LINKEN bei anderen Themen, halten die Position zum BGE aber für keinen Konflikt in der Partei der entschieden werden muss und finden vielmehr, Befürworter:innen und Kritiker:innen sollten weiterhin ihren Platz in der LINKEN haben.

Auch deswegen, weil bei allen weitgehende Übereinstimmung darüber herrscht, dass es eine armutsfeste Mindestsicherung ohne Sanktionen geben soll. 

Finanzieren wir dann die Reichen?? Und woher soll das Geld überhaupt kommen?

Der Dissens besteht u.a. darin, ob die Mindestsicherung an alle Menschen ausgezahlt werden soll (BGE), was zu großem Abbau von Bürokratie und Verwaltungskosten führen könnte. Oder ob die Mindestsicherung nur an Menschen ausgezahlt werden soll, die sie benötigen. Eine Kritik am BGE ist, dass dann ja auch die Reichen und Superreichen ein BGE erhielten, Freund:innen des BGE kontern, dass dies über höhere Steuerabgaben wieder zurückfließen würde. Nur wissen wir aktuell auch, dass die Steuern in der Regel untere bis mittlere Einkommen stärker belasten als hohe Einkommen. Dazu kommt: Je nach Schätzung würde das BGE mehr als eine Billion Euro kosten, die Einsparungen schon verrechnet. Damit würden die Ausgaben für das BGE mehr als das Doppelte des jetzigen Bundeshaushalts betragen. 

Es stellen sich also immer auch Folgefragen und die prominenteste ist, welches Konzept des BGE in der heutigen Gesellschaft und ihren Kräfteverhältnissen durchsetzbar wäre. Denn auch neoliberale Akteur:innen streiten für ein BGE. Natürlich für ein ganz anderes, als unseren Genoss:innen vorschwebt, nur – welches würde sich durchsetzen?

Bündnispartner:innen für soziale Verbesserungen 

Befürworter:innen des BGE argumentieren häufig mit der großen Unterstützung für die Forderung nach einem Grundeinkommen in der Bevölkerung. Tatsächlich gibt es die Werte, nur ist davon auszugehen, dass viele Menschen darunter eben das verstehen, was DIE LINKE mit einer sanktionsfreien Mindestsicherung bereits fordert. Auf der anderen Seite stellt sich für uns durchaus die Frage, wer in der Gesellschaft relevante Bündnispartner:innen für die Durchsetzung einer sozialeren Politik sind. Aus Sicht der Bewegungslinken müssen das zwingend und an vorderster Stelle die Interessenverbände von lohnabhängig Beschäftigten und Erwerbslosen sein, das heißt die Sozialverbände ebenso wie die Gewerkschaften. Dort gibt es natürlich auch Stimmen für das BGE – sie sind aber in der deutlichen Minderheit. 

Die Sorgen vor einer Abschaffung des Sozialstaats mit seinen vielen hart erkämpften Errungenschaften zugunsten eines Grundeinkommens sind verständlicherweise groß. Und die Hoffnungen, im Rahmen der bestehenden Sozialsysteme weitere Verbesserungen zu erkämpfen, sind angesichts der Kräfteverhältnisse in unserer Gesellschaft größer, als ein progressives BGE durchzusetzen, das im Interesse der Mehrheit ist und nicht im Interesse der ohnehin schon finanziell Bessergestellten. Einige fragen auch: Würde es wirklich für alle hier Lebenden gelten, also auch für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, oder würden diese Menschen dann auf der Strecke bleiben?

Auch gibt es aus unserer Sicht nachvollziehbare Ängste, dass sich Arbeitgeber künftig auf dem staatlich finanzierten Grundeinkommen ausruhen und für sie günstige Arbeitskräfte finden würden, die sich nur noch gern ein bisschen dazuverdienen würden. Der Niedriglohnsektor würde so ausgebaut. Das kann passieren. Es kann aber – so würden Befürworter:innen argumentieren – auch das Gegenteil passieren: Weil Arbeitnehmer:innen nicht mehr darauf angewiesen sind, jeden Job anzunehmen, ist ihre Verhandlungsposition dem Arbeitgeber gegenüber gestärkt. Nur muss man auch sehen: Die linken BGE-Konzepte schützen zwar vor Armut, aber das Einkommen wird für viele nicht ausreichend sein, sich den gewünschten Lebensstandard zu erfüllen. Sie werden dann doch darauf angewiesen sein, ihre Arbeitskraft weiterhin zu verkaufen.

Für uns ist die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Sozialverbänden und die weitere gewerkschaftliche Verankerung der LINKEN keine Kleinigkeit. Wir wollen beides ausbauen und nicht große Teile unserer Bündnispartner:innen mit einer – aus unserer Sicht unnötigen Festlegung aufs BGE – vor den Kopf stoßen.

Recht auf (Lohn)Arbeit?

Die übergroße Mehrheit der Menschen möchte arbeiten, auch diejenigen, die aus verschiedenen Gründen erwerbslos sind, oft weil ihnen der Arbeitsmarkt keine (sinnvolle) Arbeit bietet. Das Recht auf Arbeit ist im Kapitalismus nicht gewollt, sollte für DIE LINKE aber eine wichtige Orientierung bleiben. Die durch die Digitalisierung und Automatisierung zwischenzeitlich prognostizierte Verknappung von Arbeit hat sich bislang nicht bewahrheitet. Der Arbeitsmarkt verändert sich, manche Branchen schrumpfen, andere wachsen. Und nicht zuletzt wollen wir über Arbeitszeitverkürzung eine Umverteilung von Arbeit für alle erkämpfen.

Dass sich Menschen nach einem Grundeinkommen sehnen, auch einige Genoss:innen in unserer Partei, ist aufgrund der Zumutungen der in unserem System vorherrschenden Lohnarbeit nachvollziehbar. Gemeinsam mit Betroffenen dieser Zumutungen, an der Seite von lohnabhängig Beschäftigten, kämpfen wir daher tagtäglich für spürbare Verbesserungen von Arbeitsbedingungen. In den Tarifauseinandersetzungen der letzten Jahre sind dabei viele Erfolge errungen worden, an denen wir anknüpfen wollen und müssen.

Nach dem Mitgliederentscheid – wie er auch ausgehen mag – werden wir hier nach wie vor viel zu tun haben und sollten es gemeinsam angehen. Mit Befürworter:innen und Gegner:innen des BGE – mit allen, die für eine wie auch immer geartete sanktionsfreie Mindestsicherung eintreten, die vor Armut im Heute und Morgen schützt.

Damit das möglich sein wird: Stimmt mit Nein beim Entscheid und damit für die Offenhaltung der Position der LINKEN zum Bedingungslosen Grundeinkommen.

Euer Ko-Kreis der BAG Bewegungslinke, 08.09.2022