Wo die Scheiße beginnt

Im Bundestag wird jetzt der Haushalt beraten. Es droht der Mobilitätsinfarkt, ein neuer Raubzug gegen Familien und gegen die Arbeitenden durch eine schmerzhafte Rezession. Gewerkschaften, Klimaaktivist*innen und soziale Bewegungen sollten jetzt genau hinschauen.

Die Haushaltsberatungen haben es in sich. Obwohl Deutschland in einer Rezession steckt, tritt die Bundesregierung auf die Ausgabenbremse. Gespart werden soll nicht zuletzt beim Ausbau des Schienennetzes, beim Bau von Fahrradstraßen und der Kindergrundsicherung sowie beim Bafög. Zeitgleich steigen die Beitragssätze für die Pflegeversicherung. Finanzminister Lindner kündigt in der FAZ hemdsärmelig an weitere Sozialleistungen „auf ihre Finanzierbarkeit hin überprüfen“ zu wollen. Es zeichnen sich Verteilungskämpfe ab, wie es sie seit Jahren nicht mehr gegeben hat. Mit dem Haushalt wird die Grundlage für die zukünftige Politik gelegt: Hier wird das Scheitern der Verkehrswende besiegelt, noch bevor sie richtig begonnen hat; hier werden Menschen in die Arbeitslosigkeit geschickt, weil die Rezession noch verstärkt wird; hier werden Aufstiegschancen und Bildungsgerechtigkeit zerstört. Die Haushaltsberatungen sind der Ort, wo die Scheiße beginnt.

Diskussionen zwischen angebotsorientierter und nachfrageorientierter Politik haben in den letzten Jahren in der politischen Auseinandersetzung keine zentrale Rolle gespielt. Nach der Weltfinanzkrise 2008 herrschte weitgehende Einigkeit darüber, dass  mit expansiver Fiskalpolitik auf die Krise reagiert werden müsse. Während Corona waren die Rufe nach mehr staatlicher Sparsamkeit ebenfalls in der Minderheit. Verteilt wurde viel an die Falschen und insgesamt zu wenig, doch immerhin wurde eine schlimme Rezession oder Finanzkatastrophe abgewendet. Auch nach dem Überfall auf die Ukraine gab der Staat viel aus, um die schlimmsten, wirtschaftlichen Folgen hierzulande zu verhindern (wieder viel an die Falschen und insgesamt zu wenig). Nun dreht sich das Blatt. Finanzminister Christian Lindner hat das Steuer an sich gerissen. Seinem abtrünnigen Gefolge will er endlich das Stück von der gesunden Sparsamkeit und den soliden Staatsfinanzen auf großer Bühne aufführen. Seine (ehemaligen) Anhänger*innen lieben das Stück und sehnen sich schon so lange nach der Aufführung. Auch bei Grünen und in der SPD hat das Stück viele heimliche und weniger heimliche  Anhänger*innen. In Wahrheit ist es jedoch ein schlecht getarnter Verteilungskampf von Reich gegen Arm und zudem pures Gift für die Konjunktur. Von den wenigen Grünen und Sozialdemokraten, die das Spiel durchschauen, ist keine Gegenwehr zu erwarten. Sie haben die innerparteilichen Auseinandersetzungen längst verloren. Stattdessen müssen jetzt Gewerkschaften, Klimaschützer*innen, soziale Bewegungen und auch wir als Partei DIE LINKE die Scheiße benennen und die Verteilungskämpfe erkennen und kämpfen.

Ein Beitrag von Jan Siebert.