Wir werben für ein Nein beim Mitgliederentscheid zum BGE

Ab 17. September wird in der LINKEN über das Bedingungslose Grundeinkommen abgestimmt. Der Ko-Kreis der Bewegungslinken wirbt bei seinen Mitgliedern und Sympathisant:innen für ein Nein. Wir wollen im Folgenden unsere Gründe erläutern.

Für die Offenhaltung der Position zum BGE

Das Entscheidende zu Beginn: Es wird nicht darüber abgestimmt, ob wir als LINKE für oder gegen das BGE sind, sondern ob die Position im Programm der Partei geändert und die Partei auf eine Zustimmung zum BGE festgelegt werden soll. Bislang wird im Programm gewürdigt, dass es Befürworter:innen und Kritiker:innen des BGE in der LINKEN gibt und wir daher verschiedene Ansätze diskutieren. Befürworter:innen sagen mitunter recht offen, dass sie mit dem Entscheid erzwingen wollten, dass breiter in den Gliederungen über das BGE diskutiert wird. So weit, so gut – nur entscheiden müssen wir uns nun als Partei trotzdem. Ein Nein beim Entscheid bedeutet eine Offenhaltung der Position zum BGE. Wir finden das richtig. Wir teilen die Unzufriedenheit mit der Vielstimmigkeit der LINKEN bei anderen Themen, halten die Position zum BGE aber für keinen Konflikt in der Partei der entschieden werden muss und finden vielmehr, Befürworter:innen und Kritiker:innen sollten weiterhin ihren Platz in der LINKEN haben.

Auch deswegen, weil bei allen weitgehende Übereinstimmung darüber herrscht, dass es eine armutsfeste Mindestsicherung ohne Sanktionen geben soll. 

Finanzieren wir dann die Reichen?? Und woher soll das Geld überhaupt kommen?

Der Dissens besteht u.a. darin, ob die Mindestsicherung an alle Menschen ausgezahlt werden soll (BGE), was zu großem Abbau von Bürokratie und Verwaltungskosten führen könnte. Oder ob die Mindestsicherung nur an Menschen ausgezahlt werden soll, die sie benötigen. Eine Kritik am BGE ist, dass dann ja auch die Reichen und Superreichen ein BGE erhielten, Freund:innen des BGE kontern, dass dies über höhere Steuerabgaben wieder zurückfließen würde. Nur wissen wir aktuell auch, dass die Steuern in der Regel untere bis mittlere Einkommen stärker belasten als hohe Einkommen. Dazu kommt: Je nach Schätzung würde das BGE mehr als eine Billion Euro kosten, die Einsparungen schon verrechnet. Damit würden die Ausgaben für das BGE mehr als das Doppelte des jetzigen Bundeshaushalts betragen. 

Es stellen sich also immer auch Folgefragen und die prominenteste ist, welches Konzept des BGE in der heutigen Gesellschaft und ihren Kräfteverhältnissen durchsetzbar wäre. Denn auch neoliberale Akteur:innen streiten für ein BGE. Natürlich für ein ganz anderes, als unseren Genoss:innen vorschwebt, nur – welches würde sich durchsetzen?

Bündnispartner:innen für soziale Verbesserungen 

Befürworter:innen des BGE argumentieren häufig mit der großen Unterstützung für die Forderung nach einem Grundeinkommen in der Bevölkerung. Tatsächlich gibt es die Werte, nur ist davon auszugehen, dass viele Menschen darunter eben das verstehen, was DIE LINKE mit einer sanktionsfreien Mindestsicherung bereits fordert. Auf der anderen Seite stellt sich für uns durchaus die Frage, wer in der Gesellschaft relevante Bündnispartner:innen für die Durchsetzung einer sozialeren Politik sind. Aus Sicht der Bewegungslinken müssen das zwingend und an vorderster Stelle die Interessenverbände von lohnabhängig Beschäftigten und Erwerbslosen sein, das heißt die Sozialverbände ebenso wie die Gewerkschaften. Dort gibt es natürlich auch Stimmen für das BGE – sie sind aber in der deutlichen Minderheit. 

Die Sorgen vor einer Abschaffung des Sozialstaats mit seinen vielen hart erkämpften Errungenschaften zugunsten eines Grundeinkommens sind verständlicherweise groß. Und die Hoffnungen, im Rahmen der bestehenden Sozialsysteme weitere Verbesserungen zu erkämpfen, sind angesichts der Kräfteverhältnisse in unserer Gesellschaft größer, als ein progressives BGE durchzusetzen, das im Interesse der Mehrheit ist und nicht im Interesse der ohnehin schon finanziell Bessergestellten. Einige fragen auch: Würde es wirklich für alle hier Lebenden gelten, also auch für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, oder würden diese Menschen dann auf der Strecke bleiben?

Auch gibt es aus unserer Sicht nachvollziehbare Ängste, dass sich Arbeitgeber künftig auf dem staatlich finanzierten Grundeinkommen ausruhen und für sie günstige Arbeitskräfte finden würden, die sich nur noch gern ein bisschen dazuverdienen würden. Der Niedriglohnsektor würde so ausgebaut. Das kann passieren. Es kann aber – so würden Befürworter:innen argumentieren – auch das Gegenteil passieren: Weil Arbeitnehmer:innen nicht mehr darauf angewiesen sind, jeden Job anzunehmen, ist ihre Verhandlungsposition dem Arbeitgeber gegenüber gestärkt. Nur muss man auch sehen: Die linken BGE-Konzepte schützen zwar vor Armut, aber das Einkommen wird für viele nicht ausreichend sein, sich den gewünschten Lebensstandard zu erfüllen. Sie werden dann doch darauf angewiesen sein, ihre Arbeitskraft weiterhin zu verkaufen.

Für uns ist die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Sozialverbänden und die weitere gewerkschaftliche Verankerung der LINKEN keine Kleinigkeit. Wir wollen beides ausbauen und nicht große Teile unserer Bündnispartner:innen mit einer – aus unserer Sicht unnötigen Festlegung aufs BGE – vor den Kopf stoßen.

Recht auf (Lohn)Arbeit?

Die übergroße Mehrheit der Menschen möchte arbeiten, auch diejenigen, die aus verschiedenen Gründen erwerbslos sind, oft weil ihnen der Arbeitsmarkt keine (sinnvolle) Arbeit bietet. Das Recht auf Arbeit ist im Kapitalismus nicht gewollt, sollte für DIE LINKE aber eine wichtige Orientierung bleiben. Die durch die Digitalisierung und Automatisierung zwischenzeitlich prognostizierte Verknappung von Arbeit hat sich bislang nicht bewahrheitet. Der Arbeitsmarkt verändert sich, manche Branchen schrumpfen, andere wachsen. Und nicht zuletzt wollen wir über Arbeitszeitverkürzung eine Umverteilung von Arbeit für alle erkämpfen.

Dass sich Menschen nach einem Grundeinkommen sehnen, auch einige Genoss:innen in unserer Partei, ist aufgrund der Zumutungen der in unserem System vorherrschenden Lohnarbeit nachvollziehbar. Gemeinsam mit Betroffenen dieser Zumutungen, an der Seite von lohnabhängig Beschäftigten, kämpfen wir daher tagtäglich für spürbare Verbesserungen von Arbeitsbedingungen. In den Tarifauseinandersetzungen der letzten Jahre sind dabei viele Erfolge errungen worden, an denen wir anknüpfen wollen und müssen.

Nach dem Mitgliederentscheid – wie er auch ausgehen mag – werden wir hier nach wie vor viel zu tun haben und sollten es gemeinsam angehen. Mit Befürworter:innen und Gegner:innen des BGE – mit allen, die für eine wie auch immer geartete sanktionsfreie Mindestsicherung eintreten, die vor Armut im Heute und Morgen schützt.

Damit das möglich sein wird: Stimmt mit Nein beim Entscheid und damit für die Offenhaltung der Position der LINKEN zum Bedingungslosen Grundeinkommen.

Euer Ko-Kreis der BAG Bewegungslinke, 08.09.2022