Schlagwort: Strategien gegen die AfD und den Rechtsruck in der Gesellschaft

Niema Movassat – Strategien gegen AfD und Rechtsruck in der Gesellschaft

Ich möchte vier Thesen benennen und sie jeweils kurz begründen.

  1. Wir erleben einen massiven Rechtsruck in der Gesellschaft. Der Einzug der AfD – als drittstärkste Kraft – in den Bundestag ist das offensichtlichste Zeichen, dass sich die gesellschaftlichen Parameter nach rechts verschieben.

Wer sich an den Wahlkampf erinnert, an das „Kanzlerduell“ zwischen Merkel und Schulz, der wird wissen, dass es gefühlt 80 Prozent der Zeit um Geflüchtete, um innere Sicherheit und dem Islamismus ging. Es war eine „Angstdiskussion“, die mit einem Vokabular der Abschottung geführt wurde. Sozialpolitische Fragen spielten eine sehr untergeordnete Rolle. Das war ein Zeichen, dass die Diskurshoheit sich nach rechts schiebt. Menschenfeinde, Rassisten etc. geben die Debatten bis weit in die gesellschaftliche Mitte vor, auch wenn sie selbst nicht am Tisch sitzen.

Im Bundestag wetteifern fast alle Parteien darum, wer am schnellsten abgelehnte Asylbewerber abschiebt. Dutzende Gesetzesverschärfungen im Bereich des Asylrechts wurden in den letzten Jahren durch den Bundestag gepeitscht – dafür war keine einzige Stimme der AfD notwendig.

  1. Tabubrüche werden honoriert. Nicht nur von irgendwelchen AfD-Fans.

Viele hier werden sich noch an die Sarrazin-Debatte erinnern. Sarrazin ist immer noch ein anerkannter Diskussionspartner und SPD-Mitglied, obwohl er rassistische Thesen formulierte. 2015 spinnte der Schriftsteller Strauß im SPIEGEL Untergangsfantasien aufgrund der Geflüchteten, die nach Deutschland kamen. Der Schriftsteller Tellkamp erzählte in Dresden, 95 % der Geflüchteten kämen zu uns, um in die Sozialsysteme einzuwandern.

Natürlich, in der großen Mehrheit wurden all diese Ausfälle und Tabubrüche durch Politiker, Schriftsteller, Journalisten etc. zurückgewiesen. Doch der permanente Tabubruch ist ein Beitrag dazu, rechtes Denken in der gesellschaftlichen Mitte zu verankern. Über die Provokation wird geredet – allein das ist ein Erfolg für rechte Kräfte.

  1. Früher war man „gegen den Türken“, jetzt heißt es „gegen den Muslim“. Der antimuslimische Rassismus ist der neue Mantel des Rassismus.

Rassismus suchte immer den Schwachen, um ihn noch weiter auszugrenzen; ein Opfer, bei dem sie hoffen bzw. wissen, die Gesellschaft würde mehrheitlich die Angriffe unterstützen. Der heutige, in den rechten Kreisen, weitgehend verbreitete Rassismus ist der antimuslimische. Die Debatte um den Islam, ob er zu Deutschland gehört oder nicht, was in Moscheen gesagt wird, wie und wo Kopftücher getragen werden dürfen oder nicht, sind Kennzeichen dessen.

  1. Das gesellschaftliche Klima für MigrantInnen ist düster

Wer nicht Bio-Deutsch aussieht, der muss mit rassistischen Sprüchen und Beleidigungen rechnen. Diese haben seit 2015 massiv zugenommen. Im Durchschnitt findet laut BKA jeden Tag ein Anschlag auf ein Flüchtlingsheim statt. 2017 gab es mindestens 950 Angriffe auf Moscheen und Muslime. Die Zahl rechter Straftaten ist von 16.500 im Jahr 2014 auf über 22.000 im Jahr 2016 gestiegen. Die Gewalttaten verdoppelten sich im selben Zeitraum sogar. Offenbar denken Rassisten, sie führen den „Volkswillen“ aus, wenn sie Straftaten gegen MigrantInnen begehen.

Aus all dem folgen drei Handlungsempfehlungen:

  1. DIE LINKE muss die Kraft sein, die sich gegen den Rechtsruck stellt. Sie darf nicht mitzuschwimmen, in dem sie Verständnis für Nationalismus artikuliert. Denn wenn sie mitschwimmt, trägt sie dazu bei, dass sich das Klima noch weiter nach rechts schiebt. DIE LINKE muss die Widerstandsbewegung gegen rechte Umtriebe sein.
  2. DIE LINKE muss antimuslimischen Rassismus als solchen benennen und nicht nur allein von Rassismus sprechen. Außerdem sollte sie durch Debatten über Kopftuchverbote die Diskussionen nicht noch nach rechts befeuern. Religionskritik ist wichtig und legitim, man sollte aber nie vergessen, wer Mehrheit und wer Minderheit im Land ist und das gerade Religionskritik, die sich einseitig am Islam abarbeitet, Gefahr läuft, anschlussfähig nach rechts zu sein.
  3. DIE LINKE muss die Partei sein, die solidarisch mit Geflüchteten und MigrantInnen ist, die Rassismus benennt, die gesellschaftliche Bündnisse gegen Rassismus mit aufbaut – Stichwort Aufstehen gegen Rassismus.

Christine Buchholz – Die AfD – eine faschistische Partei im Werden       

Die AfD war von Anfang an mehr als eine neoliberale Anti-Europartei. Es bildeten sich drei verschiedene Flügel, ein konservativ-neoliberaler (Lucke), ein rechts-populistischer (Petry) und in faschistischer (Höcke). Der rechtspopulistisch-neoliberale Flügel wird nach den Austritten von Lucke (2015) und Petry (2017) von der Fraktionsvorsitzenden und ehemaligen Investmentbankerin Alice Weidel sowie Georg Pazderski und Beatrix von Storch vertreten.

Dieser Flügel orientiert langfristig auf eine Regierungsübernahme mit der CDU und dient als bürgerlich-liberales Feigenblatt. Er steht im Konflikt mit einem neofaschistischen, national-sozialen Flügel um Björn Höcke, Andreas Kalbitz und Alexander Gauland. Die Grenzen sind fließend und Nationalismus und Rassismus dienen als Kitt zwischen den Flügeln, die Hetze gegen Muslime zudem als Türöffner in die gesellschaftliche Mitte. Wir erleben seit der Gründung der AfD eine Kräfteverschiebung nach rechts und eine zunehmende Radikalisierung.

Der „national-soziale“ und neofaschistische Flügel spricht sehr gezielt soziale Missstände an und unterstützt rechte Betriebsratslisten. Damit wollen sie die Gewerkschaften als Klassenorganisationen zurückdrängen und auch deren antifaschistisches Engagement angreifen. Sie wollen die Belegschaften in den Betrieben spalten und Solidarität und gemeinsamen Widerstand erschweren.

Immer mehr Neonazi- Skandale kommen ans Licht:

  • Der Fraktionsvize Peter Felser, MdB drehte 2003 einen volksverhetzenden, antisemitischen Film für die Republikaner.
  • AfD-Abgeordnete beschäftigen Funktionäre von verbotenen Neonazi-Organisationen wie die HdJ oder waren selbst dabei wie Andreas Kalbitz.
  • Der mutmaßliche Rechtsterrorist Maximilian T., der mit Franco A. eine Nazi-Terrorzelle in der Bundeswehr aufbaute, ist bei Jan Nolte, MdB beschäftigt.
  • Die AfD steht offen für die Identitäre Bewegung.
  • Ganze AfD-Landesverbände arbeiten mit der Pegida-Bewegung zusammen.

Die Partei als Ganzes toleriert diese Provokationen. Weder der Antisemit Wolfgang Gedeon noch Björn Höcke, der offen als Nazi auftritt, wurden ausgeschlossen. Beide Parteivorsitzenden, Gauland und Meuthen, waren beim Kyffhäuser-Treffen des „Flügels“.

Teile der AfD versuchen mit Neonazis, Identitären und anderen eine Straßenbewegung aufzubauen. Die AfD mobilisiert rassistische Aufmärsche gegen Geflüchtete und Muslime und gibt dabei vor Frauenrechte gegen sexuelle Gewalt zu verteidigen. Das haben wir beim sogenannten „Frauenmarsch“ in Berlin gesehen und in Kandel.

Die AfD ist als Sammelbecken und Kristallisationspunkt der extremen Rechten einzuschätzen. Sie liefert die Stichworte für Gewalt gegen Geflüchtete, Muslime, Antifaschisten und andere. Sie stellt das Gedenken und die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus in Frage, lehnt u. a. Gedenkstättenfahrten und Stolpersteine für NS-Opfer ab und propagiert einen völkischen Nationalismus. Eine rassistisch begründete, nationale Gemeinschaft wird höher bewertet als Klassen-Interessen und demokratische Grundrechte.

Damit ist die AfD keine demokratische, sondern eine faschistische Partei im Werden – und ihr sollte auch so begegnet werden.

Praktische Konsequenzen für die LINKE:

Die LINKE darf den Kampf gegen Neoliberalismus, Krieg und für soziale Gerechtigkeit einerseits und den Kampf gegen Rassismus und Faschismus andererseits nicht gegeneinander ausspielen. Das heißt

  • Wir brauchen linke Alternativen zur Politik der Bundesregierung im Interesse des deutschen Kapitals UND wir treten rechter Hetze und Rassismus entgegen: Gemeinsam mit allen Menschen, egal welcher Hautfarbe, Religion oder Herkunft. Eine stärkere Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus auch in der LINKEN ist notwendig.
  • DIE LINKE wehrt sich gegen die Normalisierung der AfD. Mit der AfD kann es keinerlei Zusammenarbeit geben – weder innerhalb noch außerhalb der Parlamente.
  • DIE LINKE unterstützt breiten und entschlossenen Widerstand gegen rechte Aufmärsche und Angriffe.

So können wir die AfD zurückdrängen und die Entstehung einer massenwirksamen faschistischen Partei in Deutschland verhindern.