Kategorie: Partei und Bewegungslinke

Neue Funktionsbeschreibung: Gewinnbar, weil es DIE LINKE und die Mehrheit will. 

Diskussionsbeitrag vom Ko-Kreis der Bewegungslinken

Wenn die Bundestagswahl für uns ein Blick in den Abgrund war, dann hat spätestens der russische Angriff auf die Ukraine jedem Mitglied gezeigt, dass sich DIE LINKE dringend verändern und erneuern muss. Mitten in Europa herrscht wieder Krieg und die einzige Friedenspartei wäre beinahe aus dem Deutschen Bundestag geflogen.

Klar ist: Es muss eine Vision für die Zukunft der LINKEN entwickelt werden oder es wird keine Zukunft geben. Nach den verheerenden Wahlniederlagen brauchen wir daher ausgehend vom Bundesparteitag eine Verständigung, wofür die LINKE geschlossen, entschlossen und unverrückbar steht. 

Doch warum gibt es uns in 2022? Was ist unser zentrales politisches Projekt in den nächsten Jahren, mit dem wir uns wieder zutrauen Wahlen zu gewinnen? Wofür laden wir Menschen ein bei uns mitzumachen? 

Strömungsübergreifend haben wir dazu aus verschiedenen Landesverbänden „Wendepunkte“ identifiziert, die bereits beim letzten Parteitag die Delegierten überzeugt und Eingang ins Wahlprogramm gefunden haben. Uns leitet dabei die Idee, die großen gesellschaftlichen Konfliktfelder in den Fokus der Parteiarbeit zu legen und an den Wendepunkten unserer Zeit die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so zu verschieben, dass wir gewinnbare und motivierende Erfolge durchsetzen, obwohl diese nur DIE LINKE will.

Es geht uns um eine gelingende, gerechte Zukunft, in der wir die dramatischen Folgen der Klimakrise nicht den Einzelnen und nicht den Schwachen überlassen, sondern kollektiv handeln und in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen wirksamer werden. Die Welt brennt bereits – wir brauchen jetzt die Kraft für einen Salto vorwärts zur Umverteilung und Klimawende.

Zur Arbeit an den Wendepunkten braucht es kein neues Grundsatzprogramm, sondern einen Richtungsentscheid für die Praxis. Es kommt darauf an, was wir draußen tun, wenn in den kommenden Jahren alle großen Zukunftsfragen verhandelt werden, während wir in der Opposition sind.

Neben den Wendepunkten gelten die roten Haltelinien aus dem Erfurter Programm selbstverständlich weiter. An einer Regierung, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt, die Aufrüstung vorantreibt, Privatisierungen oder Sozialabbau betreibt, werden wir uns nicht beteiligen. Die Haltelinien verhindern, dass eine mögliche linke Regierungsbeteiligung zu Verschlechterungen führt. Aber sie alleine beantworten nicht mehr die drängenden Fragen der Zeit. Sie kitzeln nicht die Wünsche und Träume der Menschen, die sich einen Aufbruch und spürbare Veränderung wünschen. Sie spitzen nicht die schon existierenden Erwartungen zu.

Wir werben mit den Wendepunkten für eine neue und ehrliche Funktionsbeschreibung der LINKEN, die motivierend ist und die alle Mitglieder erklären und erzählen können. Die Grundlage für eine verbindliche Schwerpunksetzung ist und in den Jahren bis zur Bundestagswahl mit konkreten Schritten und Konzepten für die Praxis verbunden wird. Die uns in den nächsten Jahren für die Oppositionsrolle orientiert, wenn die Erwartungen von vielen SPD- und Grünen-Wähler:innen mit der Ampel in Widersprüche geraten. 

#Klimawende mit den Beschäftigten

Zusammen mit ver.di und Fridays For Future ist es möglich bis 2035 eine klimaneutrale Wirtschaft durchzusetzen, die sinnvolle und gut bezahlte Arbeit und eine funktionierende soziale Infrastruktur für alle schafft. Dazu braucht es als ersten mehrheitsfähigen Erfolg einen kostenlosen und hochwertigen ÖPNV für Alle. Die Mammutaufgabe der Transformation sichern wir über hohe Tarifforderungen und bessere Mindestlöhne sozial ab und formulieren in der Klimawende für jede:n Beschäftigte:n den Anspruch auf Schutz vor Inflation und Energiearmut sowie auf einen neuen Job und kostenlose Weiterbildung.

#Frieden und Abrüstung

Wir kämpfen für Abrüsten, statt Aufrüsten und investieren 100 Milliarden in Zukunft, nicht in Zerstörung. #DerAppel hat ein erstes kritisches Lager für eine neue Friedensbewegung formiert, mit dem wir ausgreifen und mehrheitlich sagen: Das 2 %-Ziel für den Rüstungsetat lehnen wir ab. DIE LINKE steht nicht im Lager Russlands oder der NATO, sondern an der Seite aller Menschen, die vor Kriegen desertieren oder fliehen und bei uns Schutz suchen.

#Mieten deckeln

Wohnen ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Der Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ hat gezeigt, dass an den Haustüren dazu Mehrheiten gewinnbar sind. Anstelle der Mietenexplosion werden wir mit einem bundesweiten Mietendeckel einen ersten mehrheitsfähigen Erfolg erstreiten, um Wohnen perspektivisch für Alle bezahlbar zu machen.

#Pflege und Entlastung im Gesundheitswesen

Wir nehmen nicht länger hin, dass die Pandemie auf dem Rücken von Pflegekräften, Ärzt:innen, Patient:innen und Angehörigen ausgetragen wird. Konzerninteressen haben in der Gesundheitsversorgung nichts zu suchen. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gehören wieder in öffentliche Hand. Als ersten mehrheitsfähigen Erfolg unterstützen wir die Tarifauseinandersetzungen für Entlastung und schaffen die Fallpauschalen bundesweit ab.

Die Strategie der Wendepunkte bietet der Partei einen orientierenden Rahmen, in dem alle Gremien, Gliederungen und Mitglieder wirksam handeln und gestalten können:

  1. Wendepunkte sind nicht einfach ausgedacht. Sie sind keine Marketing- oder PR-Strategie, sondern formulieren legitime Erwartungen und Ansprüche auf ein glückliches und gesundes Leben. 
  2. Wendepunkte sind große Schritte – wie der Mietendeckel, die Klimawende oder die Abschaffung der Fallpauschalen. Sie haben in Bewegungen und gesellschaftlichen Konflikten einen Ausdruck gefunden.
  3. Wendepunkte betonen unsere Alleinstellungsmerkmale und sind dennoch für große Teile der Gesellschaft anschlussfähig – sie sind gewinnbar, obwohl es nur DIE LINKE will.
  4. Wendepunkte sind parlamentarisch und außerparlamentarisch gleichermaßen gut zu bearbeiten und drücken eine offensive Haltung und Durchsetzungsperspektive aus. Sie sind Schwerpunkt, wenn wir im Kreisverband Aktionen planen und Kernaufgabe, wenn wir Ausschuss- und Parlamentsarbeit leisten.
  5. Wendepunkte sind integrierend und auf der Höhe der Zeit. Alle Spektren unserer Partei können sich mit ihnen identifizieren. Keine:r muss seine Grundüberzeugungen aufgeben oder im innerparteilichen Schützengraben verharren.
  6. Wendepunkte sind gewinnbar, wenn wir die Blockaden der letzten Jahre lösen und die Partei reformieren, um Ressourcen, Zeit und Know-How stärker an die Basis zu verlagern. Wir brauchen dazu weniger Saal und weniger Papier, und mehr Stadtteil und Power an den Haustüren.
  7. Wendepunkte sind realistisch durchzusetzen, wenn wir in den kommenden Jahren 100.000 Mitglieder sammeln, die zusammen mit uns an ihnen arbeiten. Sie lassen sich an keine Führungsperson oder Vorstand delegieren, sondern nur in der ersten Person erstreiten. 

Es liegt an uns zu beweisen, dass wir an den Wendepunkten unseres Lebens neue Stärke gewinnen können. Wir sind davon überzeugt, dass DIE LINKE nach der kräftezehrenden Pandemie an den großen gesellschaftlichen Handlungssträngen Klima, Frieden, Mieten und Pflege den Kopf heben kann. 

Lasst uns dazu eine motivierende neue LINKE Funktionsbeschreibung entwickeln und zeigen, dass wir wieder gewinnen wollen und bis zur nächsten Bundestagswahl auch mit weniger Geld wieder viel mehr Menschen erreichen können.