Schlagwort: Strömung

Wird die Bewegungslinke eine Strömung?

Wir werden immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob wir eine Strömung sind oder nicht, oder planen, eine zu werden. In einem 2018 veröffentlichten Diskussionspapier hatten wir dazu Folgendes festgehalten: „Wir sind keine klassische Parteiströmung wie andere, sondern eine übergreifende Erneuerungsbewegung der LINKEN für bewegungs- und klassenorientierte Politik.“ Dieser strömungsübergreifende Charakter war uns wichtig, weil wir in unseren Reihen auch Aktive haben, die in anderen Strömungen Mitglieder sind und bislang bleiben wollen. Streng genommen handelt es sich bei der Formulierung aber nicht um eine klare Absage an die Frage der Strömung. Und so gibt es auch in unseren Reihen nicht wenige, die verstärkt für eine solche Gründung argumentieren.

Vorab: Bislang sehen wir keinen zeitlichen Druck, diese Frage kurzfristig zu entscheiden. Auch wollen wir den für Juni geplanten Ratschlag nicht mit formellen Debatten überlagern, so dass dieses Thema dort eher am Rande eine Rolle spielen wird und wir es voraussichtlich erst im Herbst wieder aufgreifen werden.

Wir wollen aber unsere (kurze) Diskussion dazu im Ko-Kreis transparent machen, weil wir der Meinung sind, dass diejenigen, die sich für eine Mitarbeit bei der Bewegungslinken interessieren, wissen sollten, auf welcher Grundlage sie sich engagieren – und weil wir eure Meinung dazu wissen wollen.

Wenn wir Vor- und Nachteile diskutieren, wird schnell deutlich, welche negativen Erfahrungen der Partei- oder Strömungsarbeit wir bei der Bewegungslinken nicht wiederholen wollen. Daraus erwachsen automatisch Ansprüche an unsere Arbeit.

  1. Uns ist klar, dass handelndes Personal entscheidend für Politik ist und daher auch Wahlen zu Gremien und Listenaufstellungen von Bedeutung sind für die Entwicklung einer Partei. Wir wollen aber kein Akteur sein, der seine Dynamiken entlang von Parteitagen entwickelt. Bei allem Verständnis für grundlegende Programmatik darf nicht aus den Augen verloren werden, dass Kämpfe um gesellschaftliche Mehrheiten vor allem auf der Straße, im Kiez, auf der Arbeit geführt werden, nicht auf dem Papier und in stundenlangen Antragsdebatten um die beste Formulierung. Unsere Kritik an der Parlamentarisierung der Partei gilt insofern auch für uns selbst, als dass wir verhindern wollen, dass Selbstbeschäftigung gegenüber der Wirksamkeit nach außen überhandnimmt. 
  2. Wir wollen einen Raum schaffen, in dem eine solidarische Diskussionskultur auch bei strittigen Fragen herrscht, statt gegenseitig Bekenntnisse abzufordern oder sich der Selbstverständlichkeiten zu vergewissern. Uns eint die Erkenntnis, dass es nicht auf jede Frage schon überzeugende, alles klärende Antworten gibt, vielmehr wollen wir fragend und diskutierend voranschreiten. Dabei sollen sich alle einbringen können, die die Bewegungslinke mit uns aufbauen wollen, weil sie Ausrichtung und Ziele teilen. Wir wollen hingegen nicht der Ort für Schaufensterreden oder Belehrungen derjenigen sein, die unseren Zusammenhang nur für die Vergrößerung ihrer eigenen Reichweite nutzen.
  3. Uns ist bewusst, dass viele Fragen über die Ausrichtung und das Ziel der Bewegungslinken noch offen sind. Diese werden wir in den kommenden Wochen bei Regionaltreffen und auch auf dem Ratschlag diskutieren. Eine Strömung böte unseres Erachtens eine Chance der deutlicheren Abgrenzung im positiven Sinne einer Profilschärfung. Manche fänden gerade das womöglich schade, wir finden es wiederum notwendig, um unsere Motivation zu verdeutlichen. Für den ehrlichen Umgang mit Interessierten ist es unumgänglich.
  4. Zu guter Letzt spricht natürlich auch die mögliche finanzielle Unterstützung durch die Partei für die Konstituierung als Strömung oder Zusammenschluss (Delegiertenmandate sind uns hingegen egal, da wir davon ausgehen, dass unsere Aktiven auch in den Kreisverbänden gut verankert sind und darüber delegiert werden können). Um diese Entscheidung aber nicht davon abhängig zu machen, werden wir vorerst Spenden für unsere Arbeit, zum Beispiel für den Ratschlag, sammeln.

Kurzum: Der Anspruch, DIE LINKE zu erneuern, ist selbstverständlich auch Anspruch an einen wie auch immer gearteten neuen Zusammenschluss innerhalb der LINKEN, anders zu diskutieren und zu arbeiten – unabhängig davon, ob es dann eine „Strömung neuen Typs“ sein wird oder nicht. Wie wir dem gerecht werden können, wollen wir gemeinsam mit allen Aktiven weiter diskutieren.