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Die Klimaproteste sind jung und radikal

Begonnen hat das Wochenende des Protests mit einer fantastischen Demo in Aachen mit zehntausenden Klimaaktivist*innen von Fridays for Future für echten Klimaschutz. Mit 50.000 Teilnehmenden war es die größte Demonstration in der Geschichte Aachens und erreichte ähnlich viele Menschen wie bereits die Proteste im Hambacher Forst letztes Jahr. Die LINKE war mit 10 parlamentarischen Beobachter*innen und vielen aktiven aus NRW sehr gut vertreten und präsent. Ein Beitrag von Lorenz Gösta Beutin.

Aber auch die Aktionen von »Ende Gelände« waren mit mehreren tausend Menschen so gut besucht wie noch nie. Es ist klar: Immer mehr Menschen schließen sich der Klimabewegung auf der Straße an. Viele dieser jungen Menschen sind zum ersten Mal aktiv geworden und politisieren sich an der Frage der Klimakrise. Sie wollen kein „Weiter so“ in der Politik akzeptieren, von der nur die Konzerne profitieren auf Kosten von Mensch und Natur. Es wird spannend sein zu verfolgen, wie sich diese jungen Menschen orientieren werden.

Ende Gelände ist ein Bündnis das mit Aktionen des Zivilen Ungehorsams mehr Druck entfalten möchte. Das ist ihnen gelungen. Die Versorgung des größten Braunkohlekraftwerk Deutschlands in Neurath wurde über 48 durch eine Gleisblockade vom Kohle-Nachschub abgeschnitten. Es gelang am Samstag und Sonntag über 1500 Aktiven die Mondlandschaft des Tagebaus, deren Bagger und Förderbänder lahmzulegen.

So gut wie alle Plakate von Ende Gelände haben die Probleme der Klimakrise mit systemkritischen Botschaften verknüpft, beispielsweise das Banner des Grünen Fingers der die Gleise über zwei Tage besetzt hat „Heute Kohle, morgen Kapitalismus abschaffen“, „System change, not climate change!“ oder „Klimagerechtigkeit – das wollen wir!“. Zeitgleich sind die Plakate der Gewerkschaften ver.di und IGBCE überall an den Tagebauen zu sehen, mit den Slogans „Kein Bild, kein Ton? Deutschland ohne Braunkohlestrom!“, „Schnauze voll, von Gewalt durch Ökoaktivisten!“ und „Ohne Braunkohlestrom stirbt die ganze Region!“. Klar, das sind Plakate der Regionalverbände, ver.di hat auf Bundesebene eine andere Position. Die Gewerkschaften haben sich in Umweltfragen zu oft auf die Seite der Problemverursacher geschlagen und sich damit einen Bärendienst erwiesen. Die Sicherung der Arbeitsplätze ist eine wichtige Forderung. Es ist politisch aber absolut falsch, die Klimagerechtigkeit gegen die Existenzsorgen der Beschäftigten auszuspielen. Die Gewerkschaften müssten eigentlich zum Bündnispartner des wachsenden Widerstands gegen die Klimakrise werden. Dann könnten sie auch für die Forderungen der Belegschaften mehr Druck entwickeln. Die IG Metall plant beispielsweise eine Demonstration am 29. Juni in Berlin unter dem Motto: „#Fairwandel – Nur mit uns“ will die Gewerkschaft ein Zeichen setzen für eine soziale, ökologische und demokratische Transformation. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es macht deutlich, wie zugespitzt die Lage ist. Es macht aber auch ein Feld für die LINKE auf wo wir mit einer verbindenden Klassenpolitik viel gewinnen können.

Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir inzwischen seit 10-15 Jahren klimapolitischen Stillstand in Deutschland haben und der Klimaschutz nicht über bloße Lippenbekenntnisse hinaus geht. Die Bundesregierung hat im sogenannten Kohlekompromiss beschlossen, das der Kohleausstieg erst 2038 kommen soll. Die wollen ernsthaft noch 20 Jahre die Kohle weiter verheizen. Dabei gibt es keine technischen Gründe, die Kohlekraftwerke weiterlaufen zu lassen. Es gibt nur einen wirtschaftlichen: Die Profite von RWE und anderen Konzernen. Das ist untragbar.

Die Klimakrise schreitet durch Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen weiter voran, trotzdem soll noch knapp 20 Jahre weiter Kohle verheizt werden. Die zentralen Forderungen von den Aktivist*innen von Ende Gelände ist die sofortige Beendigung der Braunkohleverstromung in Deutschland und weltweit, Klimagerechtigkeit und die Überwindung des Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang und Ausbeutungsmechanismen. Das Aktionsbündnis versteht, dass echter Klimaschutz und Klimagerechtigkeit nur funktioniert, wenn wir uns mit der Kohleinfrastruktur, den Konzernen und Profiteuren der Klimakrise anlegen.

Wichtig ist auch die Erkenntnis, dass wir nur organisiert und gemeinsam den Mächtigen was entgegensetzen können. Allein durch kritischen Konsum als Ersatzhandlung, funktioniert das nicht. Im Gegenteil, er stabilisiert das System. Um bio zu kaufen, nicht zu fliegen oder Verzicht zu predigen muss sich keiner organisieren, Klimaschutz wird so zu einem Privatproblem gemacht, was Handlungsmacht des Einzelnen aber nur simuliert und keine echte grundsätzliche Veränderung bringt, schon gar keine Überwindung des Kapitalismus.

Es ist völlig klar, dass diese Aktionswoche nur ein weiteres Puzzlestück für echten Klimaschutz ist. Besonders wichtig wird es nach der Blockade der Kohle-Infrastruktur sein, den anderen Verursachern unserer Klimakrise weiter Druck zu machen. Wer sich nicht mit den mächtigen, den Konzernen, dem Kapitalismus anlegen will, der wird diese Klimakrise nicht aufhalten können.

Als Parlamentarischer Beobachter war es meine Aufgabe die der Begleitung, Augenzeugenschaft, Dokumentation, das Vermitteln, Ansprechpartner und Hilfe in Notsituationen zu sein. Ich stand also bei den Protestaktionen zwischen Aktivist*innen auf der einen und Polizei und RWE-Personal auf der anderen Seite. Kommt es zu Rechtsbrüchen auf Seiten der Staatsgewalt, dann weise ich die Beamt*innen darauf hin, was oft schon hilft. Allein meine sichtbare Anwesenheit, ich trage eine Warnweste mit Aufschrift, führt schon dazu, dass sich die Polizist*innen beobachtet fühlen und sich dadurch nicht so schnell zu Gewalt oder Schikane hinreißen lassen. Durch meinen Beobachterstatus kann ich durch Polizeiabsperrungen durch und zu Festgenommenen und mit ihnen sprechen. In Verhandlungen mit der Einsatzleitung können Erleichterungen für die Demonstrant*innen erreicht oder auch Informationen über den Polizeieinsatz gewonnen werden. Als Augenzeuge kann ich auch verzerrten Medienberichten mein Wort entgegensetzen, etwa über die vermeintliche Gewaltbereitschaft von Ende Gelände. Und nicht selten sind es einfach nur aufmunternde Worte nach Polizeigewalt oder eine Flasche kaltes Wasser für Menschen in einem Polizeikessel.

Aktionen des zivilen Ungehorsams sind immer dann vonnöten, wenn andere Mittel nicht ausreichen. Die Bundesregierung handelt fahrlässig, wenn sie beim Klimaschutz mehr die Konzerninteressen verteidigt als für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einzustehen. Also sind Besetzungen von Privateigentum zwar nicht legal. Aber sie sind legitim. Die Blockaden von Kohlebaggern und Kohlegruben sind ein Medienspektakel und darum ein Katalysator für die ökologische und soziale Bewusstseinsbildung. Auch wird vielen Menschen durch diesen Aktivismus gezeigt, dass Ohnmacht angesichts der gesellschaftlichen Krisen kein Muss ist, sondern jede und jeder seine Stimme erheben und seinen Protest auf die Straße tragen kann.

Es wird weitere Aktionen von »Ende Gelände« gegen die internationale Automobilbranche und Profiteuren der Klimakrise geben. Vom 20. bis 27. September findet außerdem der »Earth Strike Day« statt. Zu diesem »general strike to save the planet« haben »Fridays for Future«, Extinction Rebellion, Greta Thunberg und viele weiter aufgerufen. Wir müssen den außerparlamentarischen Protest weiter aufbauen.