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Organisierende Gewerkschaftsarbeit von Katharina Stierl

Ich bin seit 2011 ver.di Mitglied. Ich war von 2012-2016 in der Jugend Auszubildenden Vertretung. Ich habe hier eng mit dem Personalrat der Uniklinik zusammengearbeitet. Nach einer Personalratssitzung stand ich mal wieder länger mit dem Personalratsvorsitzenden und dem Stellvertreter in der Küche des Büros und wir diskutierten über die Verbesserungen der Ausbildung. Irgendwann kamen wir auch auf die Frage der Personalbemessung und auf die Frage der politischen Vertretung und der Beschäftigung der Politik mit der Pflege zu sprechen. Meine beiden Vorsitzenden, welche beide SPD-Mitglieder sind, wiesen mich auf die AfA (Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD) – hin und luden mich direkt ein, mit zum nächsten Treffen zu kommen. Zu dem Zeitpunkt gab es noch keine offizielle Kampagne zum Thema Pflege oder Personalmangel und die einzige parteipolitische Vertretung der Beschäftigten im Krankenhaus, die ich durch meine Kollegen mitbekam, war die AfA als politische Interessenvertretung der Arbeiter*innen.

Das treffen fand natürlich im DGB-Gewerkschaftshaus statt und neben meinen Personalratsvorsitzenden traf ich dort dann auch Kollegen aus den ver.di Gremienstrukturen, welche sich über eine neue junge Kollegin freuten. Noch wussten sie nicht (und ehrlicherweise ich auch nicht), dass wir politisch nie zusammenfinden würden. Von der LINKEN habe ich in meinem Betrieb nur ein einziges Mal etwas mitbekommen, und das war am Frauen*tag, an dem rote Nelken verteilt wurden. Wenn das nun meine ersten Erlebnisse als Arbeiter*in waren und sich das in den letzten 4 Jahren nicht groß gewandelt hat, dann ist das ein Problem.

Linke Betriebsarbeit bis jetzt

Marx sagt, dass „die Menschen ihre Geschichte machen“. Wenn ich mir die Situation in den Betrieben so ansehe, sehe ich: sie haben die Geschichte gemacht und zwar mit der Sozialdemokratie, welche sich immer noch nicht als das große Geschenk für die Arbeiterinnen entpuppt hat, wie prophezeit. Die Sozialpartnerschaft und ihr stellvertreterischer Fokus dominieren die gewerkschaftspolitische Arbeit in Deutschland. Diese Politik geht davon aus, dass die Menschen nicht aktiviert werden wollen oder können. Es werden keine Arbeitskämpfe geführt, die partizipativ sind, sondern solche, die gerade das Minimum an Beteiligung erfordern, um ein Mindestmaß an Verbesserung oder auch nur Veränderung hervorzurufen. Die Pseudopartizipation führt unter anderem dazu, dass immer weniger Menschen sich überhaupt organisieren. Ver.di hat in den vergangenen Jahren die 2-Millionen-Marke unterschritten und kämpft schon seit Jahren, genau wie alle anderen Gewerkschaften auch, um den Erhalt seiner Mitglieder.

Warum ist das wichtig?

Wenn es heißt, dass „Menschen ihre Geschichte machen“, so ist die Frage: Wer sind diese Menschen in Deutschland? Ca. 39,2 Millionen Menschen sind erwerbstätig, davon ca. 4-5 Millionen in Gewerkschaften organisiert. Es handelt sich also um eine riesige Anzahl von Menschen. Der Konflikt am Arbeitsplatz ist einer der Kämpfe, bei dem viele dieser 39,2 Millionen Menschen auch Erfahrungen sammeln können. Hier müssen wir auch über das Kräfteverhältnis sprechen. Denn diese Menschen können gemeinsam Erfahrungen machen und können gemeinsam über eine andere Welt diskutieren. Doch haben diese überhaupt Macht?

Sprechen wir von Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit so sprechen wir oft und ziemlich schnell von Begriffen wie „Arbeiter*innenklasse“ und von dem Machtpotential der Beschäftigten. Ohne den Arbeiter keine Veränderung. Neue Arbeitskonzepte werden immer weiter zum Problem. Leiharbeit, Werkverträge, Entgrenzung der Arbeitszeiten und Anwerben von ausländischen Arbeitskräften führt zu einer Spaltung der Arbeiter*innenklasse, die wir verhindern müssen.

Doch nun mal pragmatisch: Was hab ich bisher als linke Gewerkschafterin von der LINKEN erlebt? Wie macht die Linke eigentlich Betriebsarbeit? Wie macht die Linke eigentlich Gewerkschaftsarbeit? Ich bin seit 2011 Gewerkschaftsmitglied. Linke Betriebsgruppen habe ich in meinem Betrieb, und auch den umliegenden Krankenhäusern, noch nicht erlebt. DIE LINKE schafft es, Streikunterstützung aufbauen, verteilen Rosen und Flyer. Es gibt kleine Pflänzchen und Versuche, neue Konzepte durchzusetzen. Aber ernsthafte Angebote gibt es bisher wenige. Zu wenige.

Was muss anders werden?

Wer hat es nicht schon gehört: „Die Arbeiterklasse ist nicht mehr der Mann im Blaumann!!“ Weiterhin ist sie männlich, weiß und überwiegend auch nicht bewegungsorientiert. Es herrscht weiterhin das Verständnis, durch vorgetäuschtes Mitmach-Prinzip die Menschen gewinnen zu können. Die SPD als Sozialpartner der Gewerkschaften und auch in den Betriebs- und Personalräten ist ein Problem, Linke sollten sich nicht versstecken. Sie sollten sich aktiv einbringen und Verbindungen zwischen den Berufen herstellen.

Organizing-Ansätze statt Mobilizing

Wenn es darum geht, möglichst viele Menschen mit einzubinden, sie ernstzunehmen, dann geht es auch darum, aus den verkrusteten und alten Strukturen rauszukommen und neue Wege zu gehen. Offener zu sein, neue Leute mit einzubinden. Verantwortung abzugeben und Mehrheiten zu gewinnen.

Es geht darum, nicht die per se schon in einer monetären Abhängigkeit hängenden Funktionäre zu empowern, sondern vor allem die Kolleg*innen im Betrieb. Gewerkschaften machen zum Teil seit Jahren Stellvertreterpolitik. Aber: Gewerkschaften sind wandelbar, sind beweglich. Die Erneuerung durch Streik-Konferenz der RLS bietet einen Ort, an dem Gewerkschaftler*innen zusammenkommen können, um gemeinsam zu diskutieren und sich auszutauschen.

Es muss auch für linke ein Selbstverständnis geben zu sagen: ich bin die Gewerkschaft, oder besser: wir sind die Gewerkschaft! Um gesellschaftliche Mehrheiten aufzubauen und um linke Mehrheiten in der Gewerkschaft zu gewinnen, müssen wir unsere Ansätze überdenken.

Fazit

Wie kann das gelingen und wie stelle ich mir linke Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit vor? Ich glaube wir müssen …

  1. Selbstbewusster
  2. Organisierter
  3. Verbindender

… arbeiten.
Selbstbewusster in dem Sinne, dass wir den Anspruch haben müssen, DIE LINKE mittelfristig wirklich als die Partei der gewerkschaftlichen Erneuerung aufzubauen. Das heißt, um Mehrheiten zu kämpfen, weiter auszugreifen als auf die üblichen Verdächtigen, neue Streiktaktiken auszuprobieren, die stärkere Streiks und höhere Forderungen aufstellen und sich nicht mit wenig zufrieden geben und damit auch den Konflikt innerhalb der Gewerkschaften suchen.

Zweitens sollten wir organisierter arbeiten in dem Sinne, dass wir unsere Kräfte sammeln und uns vernetzen wie bei der Streikkonferenz der Rosa Luxemburg Stiftung, wo wir konkrete Vorschläge diskutieren können, wie wir auch die Gewerkschaften verändern. Versuche und Ideen zu linken Betriebsgruppen werden wir diskutieren.

Bisher denkt DIE LINKE viel darüber nach, wie aus Kolleg*innen Wähler*innen werden. Wir müssen aber überlegen und dann auch tatsächlich organisieren, dass aus Kolleg*innen Genoss*innen werden. Die Betriebsgruppen könnten dann kämpferische Pole der Hoffnung als das Rückgrat unseres alternativen Gesellschaftsprojeks bilden.

Zuletzt müssen wir verbindender arbeiten, und zwar in dem Sinne, dass wir gewerkschaftliche Konflikte nicht isoliert betrachten und ebenso wenig isoliert führen – betriebliche Kämpfe sind gesellschaftliche Kämpfe. Die US-amerikanische Organizerin Jane McAlevey nennt das Whole Worker Organizing. Das heißt, dass wir Beschäftigte nicht nur als Beschäftigte betrachten, sondern auch Menschen in einem sozialen Netzwerk. Die Auseinandersetzung in der Pflege geht weiter, der Kampf um unseren Planeten hat grade erst das nächste Kapitel aufgeschlagen. LINKE Gewerkschaftspolitik kann hier der Schlüssel zum Siegestor sein.

Im kommenden Jahr stehen verschiedene Tarifrunden wie z.B. im Handel, in der Metallindustrie, im Nahverkehr und weiterhin in den Krankenhäusern an. Es wird viele Möglichkeiten geben, sich einzubringen und neue Konzepte direkt auszuprobieren.

Ich glaube, dass wir mit der Bewegungslinken einen guten Anfang gemacht haben, um an diesen Aufgaben zu arbeiten. Ich glaube aber auch, dass es noch viel Hirnmasse, Kreativität und Mut brauchen wird. Ich freu mich drauf mich mit Euch auf den Weg zu machen.