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Where do you go to my lovely? Rückblick auf unsere Mitgliederversammlung

Auf der Sommerschule in Lehesten fand eine kurze Mitgliederversammlung statt – eine umfangreiche Mitgliederversammlung ist für Anfang 2021 geplant, so gut die Pandemie-Situation das zulässt. In Lehesten wollten wir uns über die Situation in der Partei vor dem anstehenden Bundesparteitag austauschen – dazu gab es Inputs von Katharina Dahme aus dem Ko-Kreis der Bewegungslinken, Nicole Gohlke aus der Bundestagsfraktion und Jules El-Khatib, dem stellvertretenden Landesvorsitzenden aus Nordrhein-Westfalen und Mitglied bei Links*kanax.

Die Inputs hatten dabei verschiedene Schwerpunkte. Katharina nahm eine Bilanz der Partei seit 2002, mit Schwerpunkt auf der achtjährigen Amtszeit von Katja Kipping und Bernd Riexinger, vor und ging insbesondere auf die Konflikte der letzten Jahre ein, aber auch auf Erreichtes und aktuell Umstrittenes in der Partei. Es ging also unter anderem um die Auseinandersetzungen um den Stellenwert von Solidarität mit Geflüchteten, Antirassismus oder der ökologischen Frage für eine linke Partei; um den gescheiterten Versuch, mit dem Parallel- oder Konkurrenzprojekt Aufstehen auch einen Verzicht auf oder eine Unterordnung von antirassistischen Positionen zu erzwingen sowie den Gegenentwurf einer verbindenden Klassenpolitik, die die Kämpfe der Arbeiter*innenklasse in verschiedenen Sektoren der Wirtschaft, der feministischen und der Klimabewegung sowie die Kämpfe gegen Rassismus zusammenführt. 

Jules’ Beitrag bezog sich dann insbesondere auf die aktuellen Konflikte die Außenpolitik und Regierungsbeteiligungen betreffend, und im Zusammenhang damit mit der Frage nach den innerparteilichen Bündnispartnern, die in der späteren Debatte kontrovers diskutiert wurde. Konkret: In welchen Fragen haben wir Übereinstimmungen mit anderen Kräften in der Partei und auf welche Widersprüche stoßen wir dabei? Einerseits gibt es Übereinstimmungen in der Friedensfrage mit Genoss*innen, die unsere Vorstellung verbindender Klassenpolitik nicht teilen, sondern eine Konzentration auf die Interessen einer (aus unserer Sicht eher imaginierten) männlich-weißen Kernarbeiterklasse propagieren, andererseits in Fragen des Antirassismus und der Ökologie mit Teilen der Partei, die aus unserer Sicht einen Politikwechsel auf Bundesebene durch möglichst häufiges Beschwören einer r2g-Perspektive eher herbeiwünschen als erkämpfen wollen. 

Um innerparteiliche Bündnisse ging es auch bei Nicoles Input, allerdings mit dem Schwerpunkt der Entwicklung von gewerkschaftlicher Orientierung und Verankerung seit Gründung der LINKEN. Welche Erfolge sind rückblickend zu verbuchen, aber vor allem auch: Wo stehen wir heute und haben ausgewiesene Leerstellen und negative Entwicklungen, denen wir gegensteuern müssen? Welche Aufgabe kommt dabei der Bewegungslinken zu, die einen starken klassenpolitischen Anspruch formuliert, aber nicht zufriedenstellend einlösen kann? Wo und mit wem forcieren wir diesbezüglich auch Zusammenarbeit in der Partei?

In der Diskussion wurde deutlich, dass es eine Diskrepanz zwischen dem Enthusiasmus vieler eher neuer Mitglieder der LINKEN (und Bewegungslinken) und den dargestellten Konflikten und Problemen auf der Bundesebene der Partei gibt. So bemängelten manche, dass die Probleme und Situation in der Bundestagsfraktion und der Führungsebene der Partei zu viel Raum einnehmen und sprachen sich für eine stärkere Rolle des Aspekts der Erneuerungsbewegung in der Bewegungslinken aus. Andere wandten ein, dass auch die guten Ansätze organisierender Praxis vor Ort, bspw. mit Beschäftigten und Mieter*innen, darauf angewiesen sind, dass die Orientierung der Ressourcen der Partei und die medialen Botschaften ihnen zumindest nicht entgegenstehen und uns auch deshalb nicht egal sein kann, wie die Bundestagsfraktion agiert.

Natürlich wurde die Strategie der Partei auf der Sommerschule auch jenseits der Mitgliederversammlung diskutiert, so dass die Darstellung dieser Debatte nur einen Ausschnitt darstellt. Im Frühjahr 2021 werden wir dann mehr Zeit haben, aus den Diskussionen auch konkrete Verabredungen für die Arbeit der Bewegungslinken folgen zu lassen.