Monat: Januar 2020

Strategiekonferenz – unsere Beiträge

DIE LINKE führt derzeit eine Strategiedebatte. Dazu gibt es auch eine Konferenz Ende Februar. Auch als Begungslinke äußern wir uns in dieser Diskussion über die strategische Ausrichtung der Partei DIE LINKE und haben zur Konferenz Beiträge eingereicht, die wir euch nicht vorenthalten wollen:

Das parlamentarische Schwert ist stumpf – was wir brauchen, ist ein Bruch

von Violetta Bock, Michael Heldt, Sascha Radl, Nora Schmid

zu finden hier : https://strategiedebatte.die-linke.de/beitraege/detail/news/das-parlamentarische-schwert-ist-stumpf/

Die Krise als Chance
Oder: Wie wir als sozialistische Bewegungspartei die extreme Rechte und die Neoliberalen schlagen können.

von Thomas Goes, Katharina Dahme und Mizgin Ciftci

zu finden hier: https://strategiedebatte.die-linke.de/beitraege/detail/news/die-krise-als-chance/

Klimapolitik als verbindende Klassenpolitik

von Katharina Stierl (die Linke.SDS), Rhonda Koch (die Linke.SDS), Stefan Krull (Landessprecher Sachsen-Anhalt), Luigi Pantisano (KV Stuttgart), NamDuy Nguyen (die Linke.SDS) – alle aktiv in der Bewegungslinken

zu finden hier: https://strategiedebatte.die-linke.de/beitraege/detail/news/klimapolitik-als-verbindende-klassenpolitik/

Warum eine Mitgliederpartei als Miniaturparlament nicht funktioniert

von Felix Pithan

zu finden hier: https://strategiedebatte.die-linke.de/beitraege/detail/news/warum-eine-mitgliederpartei-als-miniaturparlament-nicht-funktioniert/

Wie sich DIE LINKE 2020 aufstellen muss

Ich bin angefragt worden, um über die aktuelle politische Situation, die Rolle der Partei und die Aufgaben der Bewegungslinken zu sprechen, insbesondere im Hinblick auf Erfahrungen und Anforderungen migrantischer Genoss*innen.

Von Elif Eralp, aktiv im Netzwerk Links*Kanax

Die aktuelle politische Situation ist geprägt von einem enormem Rechtsruck in Gesellschaft und Politik, besser gesagt: Der schon immer vorhandene Rassismus hat jetzt eine laute Stimme und eine parlamentarische Repräsentation, stärkere Mobilisierungskraft und mehr Ressourcen.

Rassismus findet verstärkt statt und zwar nicht nur in Form von Alltagsrassismus, sondern auch in den Medien, in den Parlamenten, also im öffentlichen Diskurs. Das bereitet den Boden für ein vergiftetes Klima, für häufigere Übergriffe und rechten Terror: Täglich werden 26 antisemitisch und rassistisch motivierte Straftaten in Deutschland registriert. Aktuelles Beispiel ist mal wieder Neukölln, das schon länger von einer rechtsextremistischen Anschlagsserie betroffen ist.

Dabei geht Antisemitismus häufig Hand in Hand mit antimuslimischem Rassismus. Jüngstes Beispiel dafür ist Halle, wo es wenn schon nicht jüdische Menschen in der Synagoge, dann wenigstens vermeintliche Muslime treffen sollte.

Während noch vor ein paar Jahren die Sensibilität für Rassismus und auch für Sexismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Mainstream zuzunehmen schien, gibt es jetzt ein Rollback. Die letzten Jahre waren geprägt von dem Bild des Wutbürgers, mit dem man reden müsse und weiterhin prägen die Talkshows Themen, die den Islam problematisieren, pauschalisierend von „gefährlichen arabischen Familienclans“ sprechen, die meinen, es herrsche eine Diktatur der politischen Korrektheit und der Satz „das wird man doch wohl noch sagen dürfen“ ist wieder en vogue.

In diesem Szenario hat DIE LINKE. leider ein Stück weit versagt, weil sie vor allem wegen einiger prominenter Genoss*innen nicht mit einer einheitlichen Stimme der Solidarität gesprochen hat. Ihre Aufgabe ist es, klare Kante gegen rechts zu zeigen und dem autoritären, rassistischen und sexistischen Gesellschaftsmodell der Rechten ein solidarisches und offenes entgegenzustellen. Verständnis zu suggerieren, ist da völlig fehl am Platz. Auch haben die aktuellen Umfragen bei den Thüringen-Wahlen gezeigt, dass die Wählerschaft der AfD sie aus Überzeugung wegen derer rechter Positionen wählt und eben nicht primär aus Protest. Es sind keine verwirrten Schäfchen, die man mal eben abholen und eingemeinden kann. Statt der LINKEN konnten sich wegen dieser Streitigkeiten öffentlich die Grünen als der Gegenpart zur AfD profilieren, obwohl sie in der Migrationsfrage programmatisch rechts von der LINKEN stehen.

Dieser Streit und die „Migrationskritik“ einiger aus der Partei hat unter den Genoss*innen mit Migrationsgeschichte für große Enttäuschung und auch für Wut gesorgt. Wir haben auf einmal das Gefühl gehabt, dass unsere Partei in Teilen über „die Migranten“ als Problem spricht, so als gäbe es uns nicht, als wären wir, die wir jeden Tag an ihrer Seite gekämpft haben, nicht da. Es gab auf einmal so etwas wie ein „wir“ und ein „ihr“. Und zu so einer Situation darf es nie mehr kommen. Auch dafür haben wir im Sommer das migrantische Netzwerk links*kanax in und um die Partei gegründet. Und ein Hintergrund der Gründung der Bewegungslinken liegt ebenfalls in dieser Auseinandersetzung.

Es gibt eben nicht das Kernthema soziale Gerechtigkeit und die anderen identitären Themen, die nicht so wichtig sind und es gibt nicht das eine klassische weiße, eher traditionelle Arbeitermilieu, das angesprochen werden muss. Es gehört alles zusammen, bedingt sich und muss zusammen behandelt werden.

Abgesehen von den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen ist es eben auch diese Vergangenheit, die eine Erneuerung der Partei notwendig macht.

Neben dem beschriebenen Rechtsruck ist zugleich die Zeit des sogenannten Wohlfahrtsstaats vorbei. Ohne Systemkonkurrenz ist der Kapitalismus brutaler geworden.  Niedrige Löhne, illegalisierte Beschäftigung, zu hohe Mieten, Verdrängung und Armut sind Alltag für viele Menschen. Der Kapitalismus führt global zur Zerstörung der Umwelt und damit unserer Lebensgrundlagen und zu Kriegen.

Auf der einen Seite stehen diese Krise und die negativen Entwicklungen, aber auf der anderen Seite haben auch soziale Bewegungen Aufwind und machen Hoffnung. Fridays for Future hat es geschafft, die Klimafrage in den öffentlichen Fokus zu bringen. Unteilbar hat viele Gruppen und Menschen vereint, um Rassismus etwas entgegenzustellen. Die Mietenbewegung und Enteignungskampagnen stellen die Eigentumsfrage und machen Druck gegen Verdrängung und soziale Ungerechtigkeit. Das sind und müssen noch stärker Anknüpfungspunkte für uns sein – für DIE LINKE. und vor allem für die Bewegungslinke! Denn gesellschaftliche Veränderung wird nicht zuvörderst in den Parlamenten, sondern in der Gesellschaft selbst erkämpft. Überall da, wo Widerstand ist oder sein muss, muss auch DIE LINKE. sein, in den Betrieben, in den Universitäten, in den Stadtteilen, sie muss in lokalen Initiativen und Bündnissen mitarbeiten, in die Konflikte vor Ort gehen und sie mit radikalen Forderungen zuspitzen.

Ich möchte daher die Bedeutung der migrantischen Communities für DIE LINKE. und die Bewegungslinke betonen. Migrant*innen und BPOC sind am meisten betroffen von Armut, von mangelnden Bildungschancen, von Verdrängung und Wohnungsnot. Und selbst vom Klimawandel, nicht nur global betrachtet, auch hier in Berlin beispielsweise ist die Feinstaub- und Lärmbelastung in den überwiegend migrantischen Bezirken wie Neukölln und Kreuzberg am höchsten.

All diese Themen muss die Partei zusammenbringen, die Zusammenhänge von Kapitalismus, Klimawandel und Rassismus runterbrechen auf die Situation vor Ort und hier eine gemeinsame Organisierung und Mobilisierung vorantreiben. Diese Themen müssen diskursiv und in der Praxis zusammen angegangen werden.

Diskursiv könnte das geschehen zum Beispiel durch Kampagnen, die sich mit den Arbeitsbedingungen der vielen Migrant*innen, gerade der Illegalisierten, in Pflege und in Gastronomiebetrieben auseinandersetzen und sie sichtbar machen. Da geht es um Bleiberecht und um ausbeuterische Arbeitsverhältnisse.

Die Mieten- und gerade auch die Pflegekampagne der Partei bieten da auch gute Anknüpfungspunkte für.

Gutes Beispiel für eine gemeinsame Praxis, die verschiedene Kämpfe zusammenbringt, ist auch die Kreuzberger Initiative Kotti & Co, der es gelungen ist, Protest von primär migrantischen Mieter*innen gegen Mietsteigerungen gemeinsam mit linken Aktivist*innen auf die Straße zu bringen.

Ein guter Anknüpfungspunkt kann zum Beispiel auch das Bürgerbegehren „Schule in Not“ sein, in dem sich auch Neuköllner Genoss*innen für die Rekommunalisierung der Schulreinigung in Berlin einsetzen. Dabei geht es um die Verbesserung der Situation an Schulen und um die prekären Arbeitsbedingungen von den primär migrantischen Reinigungskräften. Auch das hat Potential, Begegnungsräume zu schaffen und ist, was ich unter „verbindender Klassenpolitik“ verstehe.

DIE LINKE. und vor allem die Bewegungslinke müssen stärker Bündnisse mit antirassistischen Gruppen schließen und sich in diesen Gruppen, die vor allem von Menschen of Colour und Black People geprägt sind, engagieren. In Berlin allein und auch bundesweit gibt es zahlreiche davon. Und es gründen sich aktuell überall immer neue Gruppen, wie z.B. das BPoC Environmental and Climate Justice Kollektiv Berlin oder in Erfurt das Kanakistan-Kollektiv von „postmigrantischen Künstler*innen“. Da ist grad viel Bewegung.

Und es gibt auch Gruppen, die schon sehr lange politisch aktiv sind, mit denen sich DIE LINKE. viel stärker vernetzen müsste. Migrantische Vereine müssen aufgesucht und mit ihnen in den Dialog getreten werden. Aber die größte Herausforderung bleibt natürlich, die noch nicht aktiven Menschen zu gewinnen und gemeinsam für ihre und unser aller Interessen zu kämpfen.

Dafür muss in den Basisgruppen der Partei ein entsprechend offenes Klima herrschen, in dem sich neue Interessierte trauen mitzumachen und sich zu äußern. Sprachbarrieren in Sitzungen und Unterlagen müssen abgebaut werden, aber auch zum Teil Vorurteile. Neue Aktionsformate sind zu erdenken und zu erproben. Und für all das ist wichtig, dass in der Bewegungslinken von Anfang an viele Genoss*innen mit Migrationsgeschichte und of Colour mitmachen, dass sie in ihren Debatten, Podien und Publikationen präsent sind und eine Stimme haben. Natürlich ist auch wichtig, dass in der Partei auf allen Ebenen Genoss*innen of Colour entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sind.

Als links*kanax Netzwerk sind wir da auch noch am Anfang der Diskussion und hoffen mehr Anregungen für eine bessere migrantische Ansprache im weiteren Verlauf in die strategischen Debatten geben zu können.

Die Partei braucht aus vielerlei Gründen eine Erneuerung -wie wir uns hier einig sind- und Teil dieser Erneuerung muss eben auch sein, stärker die Erfahrungen migrantischer Genoss*innen in den Blick zu nehmen und mehr migrantische Communities für die Partei und vor allem für gesellschaftliche Veränderung nach links zu gewinnen.

Ich freue mich dabei zu sein und habe große Lust mich mit euch gemeinsam auf diesen Weg zu begeben!

Solidarität ist unsere Waffe

DIE LINKE 2020 und wie die Bewegungslinke sie verändern will. Es gibt einige Gerüchte, warum die Bewegungslinke gegründet wurde, wann und vor allem von wem. Ob Netzwerk von Bundestagsabgeordneten, M21-Tarnorganisiation, eine Pressure Group für die Parteivorsitzenden oder Wahltruppe, um möglichst viele Leute in den nächsten Parteivorstand zu wählen. Das alles hat teilweise wenig, mitunter sogar nichts mit der Realität zu tun.

Von Katharina Dahme, Mitglied im Ko-Kreis der Bewegungslinken

Ausschlaggebend für unsere Gründung waren auch nicht die Äußerungen von Sahra Wagenknecht bezüglich der Migrationspolitik der LINKEN, wenn das wiederum auch die Notwendigkeit eines neuen Akteurs auf dem linken Flügel der Partei noch deutlicher gemacht hat. Ausgangspunkt war vielmehr die zugespitzte politische Situation in der Gesellschaft, die auch die Partei DIE LINKE unter Druck gesetzt hat. Unsere Einschätzung war und ist es heute immer noch, dass sich DIE LINKE verändern muss, wenn sie angesichts von neoliberalem Mainstream und erstarkender AfD, die sich in den Parlamenten festgesetzt und den öffentlichen Diskurs vergiftet und spürbar nach rechts verschoben hat, eine solidarische Alternative entgegensetzen will.

Bei unserem ersten Ratschlag im April 2018 lautete das Motto daher „Solidarität ist unteilbar“. Und die großen Unteilbar-Demonstrationen gaben uns recht, dass diese Formel breite Zustimmung findet und Linke genau diese Idee nach ganz vorne stellen müssten, d.h. unteilbare Solidarität konkret voranbringen, nicht die Sprache der Spaltung nachsprechen oder befeuern. Aufgabe von Linken ist es nicht, Ängste zu schüren, sondern Hoffnung zu organisieren und die Basis dessen ist der militante Glaube an und die Organisierung von Solidarität.

In diesem Sinne war der Ansatz der verbindenden Klassenpolitik als Antwort auf Spaltung und Entsolidarisierung für uns von Anfang an zentral. Wir glauben nicht, dass man den Rassismus in der Gesellschaft nicht thematisieren sollte, weil dies die Arbeiterklasse spalten würde. Der Rassismus selbst spaltet, nicht seine Problematisierung. Und wenn wir ihn nicht ansprechen, werden wir auf lange Sicht nicht mal unsere eigenen Anhänger immunisieren, geschweige denn Menschen von unseren Positionen überzeugen, die Vorurteile mit sich herumtragen und Andersdenkende oder -aussehende als Übel ausmachen, statt Ausbeutung und Unterdrückung durch die Herrschenden. Verbindende Klassenpolitik meint dabei nicht die einfache Addition der verschiedenen Kämpfe, sondern immer von der Klasse ausgehend Politik zu betreiben, sie in den Mittelpunkt unserer Politik zu stellen.

In welcher politischen Situation befinden wir uns momentan eigentlich? Dazu thesenartig ein paar Gedanken:

1. Die Polarisierung und damit einhergehende Entpolitisierung in der Gesellschaft, hat auch vor der LINKEN nicht Halt gemacht und dort nicht nur für Verunsicherung an der Basis gesorgt, sondern inhaltliche Kontroversen offengelegt, aus denen strategische Differenzen folgen – vor allem im Kampf gegen rechts. Insbesondere im Osten hat die Polarisierung mit der AfD bei den Wahlen zudem zu einer Mobilisierung „aller Demokrat*innen“ für die Parteien gesorgt, die am ehesten eine Chance hatten, gegen die AfD zu gewinnen. In der LINKEN führt es dazu, dass Ansprüche an Regierungsbeteiligungen weiter sinken, weil in dieser nachvollziehbar defensiven Logik alles getan werden muss, eine Regierungsbeteiligung der AfD zu verhindern. Einige hielten im Zuge dieser Dynamik sogar eine Zusammenarbeit mit der CDU für diskutabel. In der Wählerschaft drückte sich die Verunsicherung auch darüber aus, dass in Leipzig viele Wähler*innen mit der Erststimme die linke Jule Nagel und mit der Zweitstimme CDU wählten.

2. Der Neoliberalismus war und ist womöglich nicht in einer Krise, sondern wird immer wieder modernisiert, aktuell grün aufgemotzt. Viele halten eine grün-schwarze Koalition der Modernisierung, mit etwas mehr Klimaschutz, ohne sich aber mit den Konzernen anzulegen, für wahrscheinlich. Die Grünen wissen den widersprüchlichen Alltagsverstand aus „alles muss sich radikal ändern“ und aber „mit den uns bekannten Mitteln in dem uns bekannten Handlungsrahmen“ gut zu verbinden. Sie sagen ohne rot zu werden „System change not climate change“, meinen damit aber grüne Marktwirtschaft: Standortsicherung ja, aber nicht zwingend mit Absicherung der Beschäftigten. Das ist saugefährlich, denn a) wird damit die Klimakatastrophe nicht verhindert und b) spitzt sich Angst und Unsicherheit betroffener Beschäftigtengruppen weiter zu.

3. In den letzten zwei Jahren hat es (auch) große und breite Mobilisierungen eines solidarischen Lagers in der Gesellschaft gegeben, die Mut gemacht haben. Dabei wurde eine weltoffene Haltung auch mit sozialen Forderungen verbunden. Es ist aus diesen Mobilisierungen heraus aber nicht gelungen, darüber hinaus Druck für konkrete Errungenschaften zu organisieren. Nun ist es hingegen „Fridays for Future“ (als Teil einer Klimabewegung) gelungen, aufgrund des offensichtlichen Handlungsdrucks beim Klimaschutz indirekt die Schuldenbremse in Frage zu stellen und Investitionen in Milliardenhöhe in die Debatte zu bringen. Völlig offen ist aber, wer in was investieren wird, wer davon profitiert und wer einen sozialökologischen Umbau bezahlen muss, sofern er kommt.

Hier braucht es eine starke LINKE, die in diese Auseinandersetzungen interveniert. Denn wie jede Krise im Kapitalismus wird auch die ökologische Krise von den Ärmsten bezahlt werden müssen. Die Klimafrage ist nicht nur abstrakt eine soziale Frage, sondern ganz konkret.

Wer dabei glaubt, die grünen Themen würden die Beschäftigten nicht interessieren, der irrt. Kaum ein Thema wird mehr diskutiert in den Betrieben. Wenn aber auf grüne Fragen nur grüne Antworten folgen, dann verlieren wir diejenigen, die wir für die Umsetzung einer sozial gerechten Klimapolitik brauchen.

Wer, wenn nicht die Linke, muss Verbindungen schaffen zwischen Klimabewegten und Automobilbeschäftigten, den Beschäftigten in der Verpackungsindustrie, in der Energiewirtschaft. Die Zukunft unseres Planeten beschäftigt längst jung UND alt, und sie betrifft die ganze Klasse. Job und Klima sind beides Lebensgrundlagen für die Menschen. Wir müssen gemeinsame Interessen herausstellen und so praktische Beispiele für verbindende Klassenpolitik vorleben.

Während wir in den letzten Jahren versäumt haben, Kohlebeschäftigte und Kohlegegner*innen an einen Tisch zu bringen, können wir es diesmal besser machen. Die Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Nahverkehr 2020 bieten sich dafür an, weil es um Arbeitsbedingungen und eine klimaschonende Alternative zum Individualverkehr geht.

Dafür brauchen wir eine Partei, die sich als handlungsfähig und wirkmächtig erweist. In der es Spaß macht und vor allem sinnvoll ist, sich zu engagieren. Sprich: Wenn DIE LINKE so bleibt, wie sie ist, wird sie das nicht sein. Wie muss sie sich also – aus meiner Sicht, aus Sicht vieler Bewegungslinker – aufstellen, um eine Rolle zu spielen?

1) Die Antwort auf strukturelle Probleme muss (erst Kulturrevolution, dann) eine Mitgliederoffensive sein.

Nach den letzten Wahlen haben wir mit Blick auf den Osten viel über Parteiaufbau gesprochen, der dort aufgrund oft guter Ausgangssituation großteils nicht stattgefunden hat. Das rächt sich nun. Aber auch im Westen stagniert es zum Teil, manche Landesverbände kommen nach wie vor nicht voran oder machen nur mit Konflikten auf sich aufmerksam.

Auch wenn mehr Mitglieder noch keine Garantie für bessere Verankerung sind, so sind sie zumindest die Voraussetzung: Zahlen von Max Steininger über den Zusammenhang von Mitgliedern gegenüber Wähler*innenstimmen sind dabei sehr aufschlussreich, weil deutlich wird, dass unsere Mitglieder (auch im Osten) nicht unbedingt weniger Menschen zur Stimmabgabe für DIE LINKE  mobilisiert haben, sondern es in den Regionen mit einbrechenden Wähler*innenzuspruch schlicht deutlich weniger Mitglieder geworden sind. Mitglieder sind Multiplikator*innen, ohne die eine Partei vor Ort nicht stattfindet.

Dazu kommt, dass durch die Polarisierung der Gesellschaft auch eine Polarisierung in vielen Freundes- und Familienkreisen entstanden ist und – um Streit zu vermeiden – kaum noch über Politik diskutiert wird. So reißen Brücken der Verständigung ab, vorhandene Ressentiments verfestigen sich.

Dabei muss eine Partei, die stärker werden will, selbstbewusst auftreten: für die Sache und für die Partei werben und mehr werden wollen. Klar ist aber auch: In den letzten Jahren haben wir tausende neue, junge Mitglieder geworben, die sich angesichts der Partei, die sie vorgefunden haben, schnell wieder verabschiedeten. Es braucht also auch eine Kulturrevolution in der Partei, der zum Mitmachen einlädt. Dazu gehören ein andere Umgang miteinander und andere Arbeitsweisen.

Was klingt wie eine Binsenweisheit, ist keine Selbstverständlichkeit. Es gibt Stimmen, die Parteien für überholt halten und sich damit arrangieren, dass sich Menschen heute (vermeintlich) weniger selbst engagieren wollen. Das gibt es, wie es das auch immer schon gab. Ein Abfinden damit führt aber zum nächsten Problem, der Stellvertreterpolitik.

2) Selbstorganisierung und Aufklärung über Macht- und Kräfteverhältnisse statt Stellvertreterpolitik, die Illusionen schafft.

Noch eine Binsenweisheit, die aber keine Selbstverständlichkeit in der Partei ist: „Es kann die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter sein.“ Sehr deutlich werden die unterschiedlichen Ansätze beim Blick auf die verschiedenen Landtagswahlkämpfe der vergangenen Jahre. In Berlin fragte DIE LINKE über die Großfläche: „Wem gehört die Stadt?“ – und antwortet selbst, dass es eine engagierte Stadtgesellschaft braucht, die in relevante politische Auseinandersetzungen eingreift und Druck auf Regierung organisiert, unabhängig davon, ob DIE LINKE an ihr beteiligt ist oder nicht. Anders wurde in Bremen und Sachsen mit dem Slogan „Wir machen das.“ um Stimmen geworben, was den Eindruck vermittelt, wir könnten das stellvertretend für die Menschen erledigen, wenn sie uns wählen. In Thüringen wurde das aus bekannten Gründen noch getoppt, dort regelt alles Bodo (Zwinkersmiley).

So wenig der jeweilige Ansatz Aufschluss gibt über den Erfolg, so wenig glaube ich, dass wir automatisch mehr gewählt werden, wenn wir vorher den Willen zum Regieren postulieren. ES stimmt zwar, dass DIE LINKE ihre Funktion deutlich machen muss, die kann und wird aber je nach Ort und politischen Bedingungen sehr unterschiedlich sein. Zwangsläufig muss aber die Zeit des Wahlkampfs der Politisierung und somit auch der Aufklärung dienen, damit die Mobilisierung nachhaltig ist und Enttäuschungen nicht vorprogrammiert sind. Schließlich wissen wir, dass DIE LINKE nach der Wahl nicht immer umsetzen wird, was sie vorher forderte und so ist es unsere andauernde Aufgabe, über Kräfteverhältnisse zu informieren: wir müssen immer auch Grenzen unseres Handelns thematisieren und so politisieren. Wenn wir das nicht tun, ist das nicht nur ein ärgerliches Versäumnis, sondern in der Konsequenz desorientierend und ein sozialdemokratisches Politikverständnis der Stellverteterpolitik stärkend.

3) Gegen die Parlamentarisierung der Partei hilft nur Kollektivierung von Ressourcen und bewegungsorientierte Politik.

Unsere Parlamentarismuskritik zielt in zweierlei Richtungen. Zum einen kritisieren wir eine inhaltlich-politische Verengung der Machtfrage aufs Regieren, die sich unter anderem auch in der neuen Forderung nach „Neuen Linken Mehrheiten“ ausdrückt. Bislang sind wir in dieser Auseinandersetzung viel zu leise, zumal es meines Erachtens kluge Positionierungen braucht, die über eine einfache Ablehnung hinauskommen. Gelungen ist das beispielsweise in den Beiträgen von Raul Zelik und Thomas Goes („Regieren ist noch keine Machtoption“ und Anforderungen an eine linke Regierung, die mehr als das kleine Übel ist).

Es geht aber noch viel mehr um den Anspruch, Partei in Bewegung zu sein, statt „Sitzungssozialismus“ zu betreiben. Es geht darum, sich stärker den Kräfteverhältnissen in der Gesellschaft zuzuwenden als denen in der eigenen Partei. Es geht darum, sich dem Aufbau von Partei und Bewegungen zu verschreiben, und alle Ressourcen darauf zu verwenden statt auf die Vermarktung von Personen. Es geht um Kollektivierung der in großen Teilen privatisierten Ressourcen (dazu der anschließende Beitrag von Sarah Nagel).

Zu guter Letzt: Wir wollen nicht nur die Probleme benennen und Ratschläge geben, was man besser machen kann, sondern auch selbst mehr über die schon vorhandenen guten Ansätze reden und so dazu beitragen, dass sie verankert und verstetigt werden. Wir müssen Fehler auswerten und aus Niederlagen lernen, dürfen dabei aber nicht vergessen, auch über Erfolge zu reden und zu überlegen, wie wir sie vervielfältigen können.

Das umzusetzen, würde eine andere Kultur bedeuten als wir sie aktuell erleben. Eine, die zum Mitmachen einlädt und Spaß macht. Wenn uns das gelänge, wär schon ne ganze Menge.

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